Wenn wir von Politikern und Medien in ganz Europa über Einwanderung hören, ist die Darstellung fast immer negativ. In einigen Ländern ist dies keine Neuigkeit mehr. Die britische Boulevardpresse hat in den letzten zwei Jahrzehnten Tausende von Artikeln gegen Migranten veröffentlicht. Eine anti-migrantische Rhetorik ist in der dänischen Politik seit den frühen 1990er Jahren ein Merkmal. Im Gegensatz dazu zeichnet sich Ungarn durch Viktor Orbáns extreme, rassistische und islamfeindliche Rhetorik aus – die vor allem ab 2015 übernommen wurde – und macht das Land zu einem vergleichsweise neuen Akteur in diesem Bereich.
In ganz Europa werden Flüchtlinge und andere Migranten routinemäßig als Problem oder „Krise“ dargestellt. Es wäre daher naheliegend anzunehmen, dass die Öffentlichkeit genauso denkt – also eine negative Einstellung gegenüber Einwanderung hat, die sich möglicherweise verschlechtert. Politiker legen dies regelmäßig nahe, wenn sie sagen, sie müssten strenge Einwanderungsregeln als Reaktion auf die öffentlichen Sorgen einführen.
Meinungsumfragen zeigen regelmäßig, dass die europäische Öffentlichkeit mit der Handhabung der Einwanderung durch die Regierung unzufrieden ist und die Einwanderungszahlen als zu hoch ansehen könnte. Doch langfristige Daten der European Social Survey (ESS) – deren neueste Ergebnisse Ende 2024 veröffentlicht wurden – zeigen positive Trends.
Bei ODI Europe haben meine Kolleg:innen und ich die öffentliche Einstellung und politische Narrative rund um Migration in ganz Europa über fünf Jahre hinweg untersucht. Unsere Analyse hat ergeben, dass im Vergleich zu vor 20 Jahren mehr Europäer:innen (in vielen, aber nicht allen Ländern) der Meinung sind, dass Einwanderung ihr Land zu einem besseren Ort zum Leben macht.
Positive Einstellungen haben besonders in Irland, Großbritannien, Norwegen, Spanien, den Niederlanden, Belgien und der Schweiz zugenommen. Ähnliche positive Trends zeigen sich auch, wenn die Öffentlichkeit nach den wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Einwanderung gefragt wird.
ODI Europe
Das Vereinigte Königreich gehört zu den Ländern in Europa mit den wenigsten anti-einwanderungseinstellungen. Während 2002–03 nur 27 % der britischen Bevölkerung der Meinung waren, dass Einwanderung einen positiven Einfluss auf die Wirtschaft hat, ist dieser Wert 2023–24 auf 66 % gestiegen. Allerdings ist dies ein Rückgang gegenüber den 69 %, die in der vorherigen Erhebungsrunde (2020–22) eine positive wirtschaftliche Wirkung sahen.
Das Vereinigte Königreich führte auch in der letzten World Values Survey die Liste der Länder an, die Einwanderung sehr akzeptieren und besonders die kulturelle Vielfalt, die dadurch entsteht, willkommen heißen.
Das Migration Observatory stellt fest, dass die Mehrheit der britischen Öffentlichkeit eine erleichterte Einwanderung von Arbeitskräften im NHS (National Health Service), der Pflegearbeit und anderen Berufen mit Arbeitskräftemangel befürwortet.
Forscher des Think Tanks British Future haben herausgefunden, dass die meisten Bürger es bevorzugen würden, wenn das aktuelle Niveau der internationalen Studentenmigration gleich bleibt oder steigt. Internationale Studierende machen derzeit 40 % der Nettozuwanderung in das Land aus.
Warum die Unterschiede?
Die Diskrepanz zwischen dem, was wir über die öffentliche Einstellung hören, und dem, was die Daten tatsächlich zeigen, verdient eine Erklärung.
Wir wissen, dass die Einstellungen der Menschen zur Migration weitgehend stabil sind, auf tief verwurzelten Werten beruhen und hauptsächlich in der Jugend gebildet werden. Die Einstellungen ändern sich relativ langsam. Der Generationenwechsel ist wahrscheinlich der Schlüssel zur Erklärung der langfristig positiven Trends in diesem Bereich. Andererseits kann die Bedeutung der Einwanderung – also ob die Öffentlichkeit Einwanderung als ein vorrangiges Problem sieht – stark schwanken, getrieben durch mediale Aufmerksamkeit und politische Narrative.
Dies klingt widersprüchlich angesichts des Aufstiegs der extremen Rechten in einigen europäischen Ländern. Wir wissen jedoch, dass Sparpolitik, wirtschaftliche Unsicherheit und wirtschaftlicher Niedergang entscheidende Faktoren für die Unterstützung der extremen Rechten sind.
Forscher haben auch einen „Reverse Backlash“-Effekt entdeckt. Dabei geht ein größerer Erfolg populistischer rechter Parteien tatsächlich mit mehr Bürgern einher, die positive Einstellungen zur Einwanderung berichten, gerade weil sie sich von den Ansichten der extremen Rechten distanzieren wollen.
Negative Trends
Was in der neuesten ESS-Erhebungsrunde auffällt, ist, dass zunehmend negative Trends gleichzeitig in mehreren Ländern auftreten. Dies ist besonders bemerkbar in Irland, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Polen, aber auch in Island und Frankreich.
In Irland gibt es einen deutlichen Rückgang von zehn Prozentpunkten im Vergleich zur vorherigen Erhebungsrunde (2020–22) bei den Befragten, die angeben, dass Einwanderung ihr Land zu einem besseren Ort zum Leben macht. Im Vereinigten Königreich sinkt der Wert bei derselben Frage um fünf Prozentpunkte (von 68 % auf 63 %) – was immer noch eine signifikante positive Mehrheit im Vergleich zu nur 17 % ist, die glauben, dass Einwanderung das Vereinigte Königreich zu einem schlechteren Ort macht – aber dennoch eine bemerkenswerte Verschiebung.
Dies könnte eine vorübergehende Schwankung sein, wie sie zwischen 2018–19 und 2020–22 in Schweden und Deutschland zu beobachten war. Beide Länder nahmen während der sogenannten „Flüchtlingskrise“ in Europa eine hohe Zahl von Flüchtlingen auf, was zu einem Anstieg der Besorgnis über die Auswirkungen der Einwanderung geführt haben könnte. Solche Schwankungen können jedoch geringfügig und von kurzer Dauer sein.
Eine andere Möglichkeit ist, dass wir endlich eine Veränderung der öffentlichen Einstellung sehen, die sich an die feindlichere, anti-einwanderungsorientierte Umgebung anpasst, die von Politikern und Medien gefördert wurde. Dies könnte der Beginn eines weiteren Generationenwechsels sein – möglicherweise eine Reflexion der Tatsache, dass einige rechtsextreme Gruppen besonders bei jüngeren Wählern beliebt sind.
Diese Rückgänge könnten vorübergehend sein – falls nicht, riskieren wir, das öffentliche Gut einer positiven europäischen Öffentlichkeit genau in dem Moment zu verspielen, in dem Europa Einwanderung am dringendsten benötigt.