Nach der „Abschreckungsoperation“ unter der Leitung von Abu Mohammed al-Julani (Ahmed al-Sher’a) und der Tahrir al-Sham Organisation, die in Idlib gestartet wurde, begann die neue syrische Verwaltung rasch damit, die administrativen Strukturen in Damaskus zu reorganisieren, nur vier Monate nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad. Dieser Schritt sollte das vollständige Zusammenbrechen des staatlichen Systems oder das Abgleiten des Landes in Chaos verhindern.
Zu Beginn wandte sich die neue Verwaltung an die „Befreiungsregierung“, die zuvor in Idlib tätig war. Diese Regierung übernahm in den ersten Monaten die Verwaltungsaufgaben. In dieser Zeit wurde in Damaskus ein „Nationaler Kongress“ organisiert, an dem Vertreter aller Bevölkerungsgruppen Syriens teilnahmen. Nach dem Kongress wurde im Präsidialpalast in der Hauptstadt die „Siegeserklärung“ verkündet, bei der al-Sher’a als der neue Führer Syriens auf Grundlage der revolutionären Legitimität bekannt gegeben wurde.
Nach der Verkündung des Sieges wurde ein „Verfassungsbeiratskomitee“ gegründet, um einen verfassungsrechtlichen Rahmen für den Übergangsprozess zu erarbeiten. Das Komitee erstellte eine Verfassungs-Erklärung, die die Grundprinzipien der neuen syrischen Verwaltung festlegte. Anschließend wurde eine neue syrische Regierung gebildet, die Vertreter verschiedener Konfessionen und ethnischer Gruppen einbezog.
Nach dem Sieg der Revolution betonte Ahmed al-Sher’a in mehreren Erklärungen, dass Ministerien auf Basis von Leistung und nicht nach konfessionellen oder regionalen Quoten vergeben würden. Dennoch wurden, angesichts der aktuellen sozialen Struktur und der empfindlichen Balance im Land, die Ministerien auf verschiedene Regionen und Gemeinschaften fair verteilt.
Schlüsselministerien unter der Kontrolle von vertrauenswürdigen Personen von Ahmed al-Sher’a:
In der neuen Kabinettsbildung, die von Ahmed al-Sher’a während des Ramadanfestes verkündet wurde, stach besonders hervor, dass die Schlüsselministerien wie Außenpolitik, Inneres, Verteidigung und Justiz an Vertraute aus der Tahrir al-Sham Organisation vergeben wurden.
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Außenminister: Esad al-Sheibani, früher Leiter des Büros für Politische Angelegenheiten in Idlib, wurde zum Außenminister ernannt. Al-Sheibani, ein Mitglied des al-Sheibani-Stammes aus der nordöstlichen Provinz Hasakah, spielte eine wichtige Rolle bei der Transformation von Tahrir al-Sham von einer Al-Qaida-affinen Gruppe zu einer unabhängigen Organisation.
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Innenminister: Enes Hattab, auch bekannt als „Ebu Ahmed Hudud“, der während der Kontrolle von Tahrir al-Sham für die Sicherheit in Idlib verantwortlich war, wurde zum Innenminister ernannt. Hattab, der enge Verbindungen zu al-Sher’a hat, spielte eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit im Land nach dem Sturz des Regimes.
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Verteidigungsminister: Merhef Abu Kasra, bekannt als „Ebu Hasan al-Hamevi“ oder „Ebu Hasan 600“, wurde zum Verteidigungsminister ernannt. Er hatte zuvor das Generalhauptquartier der Tahrir al-Sham-Truppen in Idlib geleitet und bedeutende militärische Erfahrungen im Kampf gegen Regimekräfte und iranische Milizen gesammelt.
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Justizminister: Zu einem engen Vertrauten von al-Sher’a, Mazhar al-Veysh, wurde der Posten des Justizministers vergeben. Diese Ernennungen und die Verteilung der Ministerien zeigen, dass al-Sher’a die Schlüsselressorts, die die Stabilität des Landes sichern sollen, seinen vertrauten und leistungsstarken Kräften anvertraut hat.
Die Vertretung der Minderheiten und die Stellung der Turkmenen in der neuen Regierung
Die Gründung der neuen Regierung hatte nicht nur das Ziel, den Übergangsprozess zu gestalten, sondern auch eine wichtige Botschaft an die internationale Gemeinschaft zu senden, dass Minderheiten nicht ausgeschlossen werden. Besonders nach den Ereignissen am 6. März in der Küstenregion, bei denen regimetreue Kräfte Angriffe auf Sicherheitskräfte starteten und viele Aleviten und Zivilisten ums Leben kamen, wurde die Notwendigkeit, Minderheiten angemessen zu vertreten, deutlich.
Vertretung der Minderheiten:
Die neue Regierung hat eine inklusive Struktur geschaffen, die Vertreter verschiedener Konfessionen und ethnischer Gruppen umfasst, um sowohl dem syrischen Volk als auch der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass Minderheiten nicht ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang wurde Ya’rub Bedir, ein ehemaliger Minister aus der Aleviten-Community, zum Verkehrsminister ernannt. Hind Kabavat, die für ihre christliche Identität bekannt ist und zuvor in der Genfer Oppositionsverhandlungskommission tätig war, wurde zur Ministerin für soziale Angelegenheiten ernannt. Außerdem wurde der kurdische Akademiker Muhammed Turko, ein aus Afrin stammender Mann, zum Minister für Bildung ernannt, und für das Ministerium für Landwirtschaft wurde eine Person aus der Drusen-Gemeinschaft berufen. Das Thema der Drusen, insbesondere in Bezug auf die Beziehungen zu Israel und die Drusen in Golans, die in der israelischen Armee dienen, ist besonders sensibel.
Die Turkmenen in der neuen Regierung:
Obwohl kein Turkmene in der neuen Regierung als Minister ernannt wurde, liegt dies daran, dass die Turkmenen sich selbst nicht als Minderheit in Syrien, sondern als untrennbaren Teil der sunnitischen Mehrheit sehen.
Allerdings wurde der Turkmenen-Kommandant Fehim İsa als stellvertretender Verteidigungsminister und Kommandeur der Nordmilitärzone ernannt. Die Turkmenen haben sich nach dem Sturz des Assad-Regimes nie als isolierte Gruppe gesehen; insbesondere bei den Ereignissen in der Küstenregion am 6. März übernahmen sie eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Regierung im Kampf gegen die regimetreuen Kräfte. Die positive Haltung der Türkei zur Integration der Turkmenen in den neuen syrischen Staat hat in diesem Prozess ebenfalls eine entscheidende Rolle gespielt.
Fazit:
Die neue Regierung hat in sehr kurzer Zeit das Nationale Dialogkomitee ins Leben gerufen, eine verfassungsrechtliche Erklärung für den Übergangsprozess veröffentlicht und eine inklusive Regierung gebildet, die Vertreter verschiedener Konfessionen, ethnischer Gruppen und Regionen umfasst. Diese Struktur sendet sowohl an die internationale Gemeinschaft als auch an das syrische Volk eine klare Botschaft: Das neue Regime wird keine Gruppe ausschließen und ist nicht mit der repressiven Herrschaft von Bashar al-Assad vergleichbar.