Wer gewinnt den KI-Wettlauf zwischen den USA und China?

Obwohl die Märkte klar den Eindruck vermitteln, dass die USA im Wettrüsten im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) vorne liegen, bedeutet eine frühe Führungsposition insbesondere im Bereich der Innovation noch keinen Sieg. Dieses Rennen wird höchstwahrscheinlich das Land gewinnen, das die Grundlagenforschung stärker fördert – und in dieser Hinsicht ist China langfristig besser aufgestellt.
Juli 31, 2025
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Obwohl offiziell noch kein Sieger im Wettbewerb um die KI-Vorherrschaft zwischen den USA und China feststeht, glauben die Märkte fest daran, dass die USA gewinnen werden. Der Chiphersteller Nvidia wurde kürzlich das erste Unternehmen weltweit mit einer Marktkapitalisierung von 4 Billionen Dollar (dessen CEO Jensen Huang dabei den Status eines globalen Rockstars erreichte). Microsoft, das größte Investment in das gewinnorientierte Unternehmen OpenAI tätigte, liegt mit einem Wert von 3,7 Billionen Dollar ebenfalls nicht weit zurück.

Frühe Führung bedeutet jedoch – insbesondere im Bereich der Innovation – keine Garantie für den Sieg. Fast täglich gibt es neue Meldungen über Chinas außergewöhnliche KI-Durchbrüche. Während die USA mit OpenAIs ChatGPT einen Meilenstein setzen konnten, schockierte Chinas DeepSeek Anfang des Jahres die Welt mit dem R1-Sprachmodell, das durch niedrige Kosten und hohe Verarbeitungseffizienz überzeugte. Und in diesem Monat brachte das chinesische Start-up Moonshot AI das beeindruckende Kimi K2-Modell auf den Markt, das westliche Konkurrenten in vielen wichtigen Kriterien übertrifft.

Im KI-Wettlauf spielen nicht nur leistungsstarke Chips eine Rolle, sondern auch Talent, Software und strategische Fokussierung. Derzeit sind Halbleiter eine klare strategische Engstelle zugunsten der USA. Die Biden-Regierung verhängte im Rahmen ihrer „kleiner Garten, hoher Zaun“-Politik strenge Exportbeschränkungen für fortschrittliche Halbleiter. Doch diese Maßnahme schlug fehl: China reagierte mit einer noch aggressiveren Haltung bei der Entwicklung eigener KI-Chips.

Letztendlich wird das Schicksal dieses Wettlaufs vermutlich durch strategische Durchbrüche in der Software, nicht der Hardware entschieden. Der von US-Präsident Donald Trump kürzlich vorgestellte KI-Aktionsplan – acht Jahre nach Chinas 2017 veröffentlichtem „Plan für die Entwicklung der nächsten Generation Künstlicher Intelligenz“ – erregt Aufmerksamkeit. Dennoch ist China langfristig in einer starken Position. Der 2024 Global Innovation Index (GII), der Innovation in 133 Ländern anhand von 78 Indikatoren misst, platziert China auf Rang 11 – ein steiler Aufstieg von Platz 43 vor 15 Jahren. Die USA belegen weiterhin seit Jahren den dritten Platz.

Der GII bietet zwar einen umfassenden Überblick über die globale Innovationsentwicklung, übersieht aber einen wichtigen Teil des Puzzles: die Grundlagenforschung. Hier spielt der öffentliche Sektor eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Akteuren, die von kommerziellen Erträgen motiviert sind, bietet die öffentliche Förderung Wissenschaftlern und Forschern den nötigen Spielraum, um die scheinbar abstrakten Grenzen des Wissens zu erweitern.

In dieser Hinsicht befindet sich die USA in einer gefährlichen Abwärtsspirale. Laut Daten der National Science Foundation (NSF) ist der Anteil der Bundesregierung an den gesamten Forschungs- und Entwicklungsausgaben seit dem Höhepunkt 1964 (nach dem Sputnik-Schock) kontinuierlich gesunken. Speziell bei der Grundlagenforschung sank dieser Anteil von etwa 30 % Ende der 1970er Jahre auf rund 10 % im Jahr 2023.

Noch besorgniserregender ist die durch die Trump-Regierung angestoßene Attacke auf die wissenschaftliche Forschung und Hochschulbildung – scheinbar mit dem Ziel, Programme für Vielfalt, Gleichheit und Inklusion abzuschaffen – sowie die zunehmende Sinophobie in den USA, die die Zusammenarbeit behindert. Ein aktueller Forschungsbericht der American Association for the Advancement of Science prognostiziert, dass Trumps Haushaltsvorschlag für das Fiskaljahr 2026 die Bundesmittel für Grundlagenforschung auf wahrscheinlich 30 Milliarden Dollar senken wird, was einem Rückgang von 34 % gegenüber den für 2025 geplanten 45 Milliarden Dollar entspricht. Dies entspricht einem Niveau von 2002.

Im Gegensatz dazu investiert China riesige Summen in Wissenschaft und Technologie und tätigte 2023 allein 28 % der weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung – nur knapp hinter den USA mit 29 %. Die jährliche Wachstumsrate der chinesischen F&E-Ausgaben lag im letzten Jahrzehnt bei durchschnittlich 14 %, mehr als das Dreifache des US-Werts von 3,7 %. Wahrscheinlich erreichten beide Länder 2024 ein annähernd gleiches Niveau.

Vergleichbare Daten zur Grundlagenforschung sind schwer zu bekommen, doch der Forscher Jimmy Goodrich vom Center for Strategic and International Studies versuchte eine Schätzung. Seine Analyse deutet darauf hin, dass die Trump-Administration in der staatlich geförderten Grundlagenforschung die seit Langem bestehende US-Führungsrolle an China abgibt.

Warum ist das so? Dieselbe Frage lässt sich auf viele politische Entscheidungen unter Trump 2.0 übertragen – von Zöllen über Kürzungen bei ausländischer Hilfe bis hin zum Rückzug aus Programmen für saubere Energien. Viele dieser Maßnahmen sind im „2025 Project“ der konservativen Heritage Foundation für Trumps zweite Amtszeit zusammengefasst. Doch während dieses Papier die „Unterstützung, Aktivierung und Fokussierung des amerikanischen Innovationsökosystems“ zum Ziel hatte, führt die Kürzung der öffentlichen Grundlagemittel in die entgegengesetzte Richtung. Wirtschaftlich und wettbewerblich gleicht das einer Selbstzerstörung.

Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping verfolgt hingegen eine komplett entgegengesetzte Strategie. Er setzt die „wissenschaftliche Entwicklung“ früherer Führungskräfte fort und betont seit langem, dass Grundlagenforschung das Fundament der chinesischen Innovation ist. Anfang 2023 erklärte er, die Stärkung der Grundlagenforschung sei „eine dringende Notwendigkeit, um in Wissenschaft und Technologie mehr Selbstvertrauen und Stärke zu erlangen“ – und der einzige Weg, weltweit führend zu sein.

Der globale Wettkampf um KI-Vorherrschaft wird oft als Konflikt zwischen zwei Systemen dargestellt: dem marktorientierten US-Modell und der staatlich geförderten chinesischen Industriepolitik. Doch die Grundlagenforschung ist der entscheidende Ausgleich zu diesen Unterschieden. Ob öffentlich oder privat geführt, Innovation entsteht schließlich aus Entdeckungen.

Wie Henry Kissinger, Craig Mundie und Eric Schmidt in ihrem Buch Genesis: Artificial Intelligence, Hope, and the Human Spirit schreiben: „Entdeckung könnte die aufregendste Fähigkeit der Menschheit sein.“ Um eine Entdeckungskultur aufrechtzuerhalten, braucht es Unterstützung für die grundsätzliche und theoretische Wissenschaft, die ein weit verzweigtes Netzwerk bildet. Die Erfinder von Schießpulver und Papier – die Chinesen – haben diese Lektion längst verinnerlicht. Leider scheint Amerika gezwungen, diese Lektion auf harte Weise neu zu lernen.

*Stephen S. Roach ist Professor an der Yale University und ehemaliger Präsident von Morgan Stanley Asien. Er ist Autor der Bücher Unbalanced: The Codependency of America and China (Yale University Press, 2014) und Accidental Conflict: America, China, and the Clash of False Narratives (Yale University Press, 2022).

Quelle: https://www.project-syndicate.org/commentary/trump-cuts-to-basic-research-in-us-could-enable-china-to-win-ai-race-by-stephen-s-roach-2025-07