Die Sperrung Gazas für internationale Journalist:innen und das Abwenden der weltweiten Aufmerksamkeit vom Völkermord markiert den nächsten Schritt in Israels Verdunkelungsstrategie: die Jagd auf palästinensische Journalist:innen in Gaza. Das Ziel ist offensichtlich: die letzten unabhängigen Zeugen zum Schweigen zu bringen, damit der Völkermord an einem gesamten Volk und die Verurteilung zu Hunger fortgesetzt werden können, ohne dass die internationale Gemeinschaft dies sieht, dokumentiert oder stoppt.
Zuletzt wurden zwei der bekanntesten Fernsehjournalisten Gazas, Anas Al-Sharif und Mohammed Qreiqeh, sowie vier weitere Reporter in einem Zelt vor einem Krankenhaus in Gaza getötet. Damit überstieg die Zahl der von Israel getöteten palästinensischen Medienschaffenden 230 – die höchste Zahl, die in irgendeinem Konflikt weltweit dokumentiert wurde.
Dies beschränkt sich nicht nur auf Gaza: Im Westjordanland wurde im Mai 2022 die US-Palästinenserin Shireen Abu Akleh von Israel kaltblütig getötet. Auch damals folgte Israel dem bekannten Muster: Lügen, leugnen, die Wahrheit verzerren; Monate später behauptete man, Abu Akleh sei „versehentlich“ von einem Scharfschützen getroffen worden.
Israel verbietet internationalen Journalist:innen, über seine Grausamkeiten zu berichten; wenn lokale Reporter:innen sich dieser Verdunkelung widersetzen, werden sie gezielt zum Schweigen gebracht – ein geplanter Punkt auf der „To-do-Liste“: diejenigen eliminieren, die die Wahrheit berichten, und die Welt blenden. Jede Tat sendet eine klare Botschaft an die Überlebenden: „Berichtet ihr die Wahrheit, werdet ihr ihnen folgen.“
Der politische Zionismus hat seit seiner Gründung die Kunst perfektioniert, Verbrechen mit Lügen zu verbinden. Nach der Tötung eines Journalisten lautet die einzige notwendige Aussage: „Es war die Hamas.“ Beweise sind nicht nötig, Untersuchungen werden nicht verlangt. Israel erfindet sie bei Bedarf; westliche Medien verbreiten diese Lüge dann kritiklos. Beispielsweise lautete die Schlagzeile von Reuters: „Israel tötet Al-Jazeera-Journalist, der angeblich Hamas-Führer war.“ Anstatt die dokumentierten Todesdrohungen Israels gegen Journalist:innen oder die Ermordung von Al-Sharifs Vater im Dezember 2023 hervorzuheben, stellten Reuters, NBC, BBC und andere die unbestätigte israelische Version in den Vordergrund.
Dies ist keine Ausnahme: Die westlichen Medien schenken Israels Erklärungen fast immer ein Vertrauen, das sie außerhalb der westlichen Welt niemals genießen würden. Denken wir an Benjamin Netanyahu: Ein nachweislich wiederholt lügender Politiker, nicht von Gegnern, sondern von seinen engsten Verbündeten entlarvt. Netanyahu behauptet, Israel wolle Gaza von der Hamas „befreien“ und Zivilist:innen angeblich in „sichere Zonen“ bringen. Trotz seiner nachweislich falschen Aussagen finden Netanyahus Behauptungen breite, unkritische Verbreitung in westlichen Medien.
Verglichen mit den Reaktionen auf Russlands Behauptung, der Krieg in der Ukraine diene der „Befreiung“ des Landes von Neonazis, werden diese Behauptungen mit großem Zweifel betrachtet, sorgfältig geprüft und oft verspottet. Warum jedoch ignoriert dieselbe internationale Medienlandschaft die Lügen Israels nicht nur, sondern verschafft ihnen quasi freie Durchfahrt? Ob dies nun eine Begünstigung Israels oder eine Voreingenommenheit gegenüber Russland ist – in jedem Fall ist es Heuchelei und untergräbt die Prinzipien, die der Journalismus verteidigen sollte.
Vor etwas mehr als einem Jahr tötete ein israelisches Drohnenangriff den Kollegen von Al-Sharif, Mohamed El Ghoul, und einen weiteren Mitarbeiter in einem Fahrzeug, auf dem deutlich „Presse“ stand. Israel rechtfertigte die Tat erneut: Die Opfer seien Hamas-Mitglieder gewesen, um den Mord zu „kaschieren“. Wäre Russland so gegen Journalist:innen in der Ukraine vorgegangen, wäre der Aufschrei unaufhörlich gewesen. Doch wenn Israel Journalist:innen tötet, werden die Berichte verzerrt, abgeschwächt oder ganz verschwiegen.
Israels jahrzehntelanger Prozess der Entmenschlichung der Palästinenser läuft genau so ab: sie dämonisieren, ihre Leiden verharmlosen, bis ihr Tod weniger Empörung hervorruft als die Verletzung eines Hundes. Ein kürzlich in Gaza virales Ereignis zeigt dies exemplarisch: Ein geretteter Palästinenser erregte weniger globale Sympathie als ein Hund. Dies ist kein Zufall, sondern eine „logische“ Reaktion auf die entmenschlichende Propaganda.
Israel kann dies nicht ohne Hilfe erreichen. Doppelstaatler:innen und westliche zionistische Stimmen in den internationalen Medien fungieren gemeinsam mit denen, die Angst vor dem Vorwurf des Antisemitismus haben, als Vermarkter von Israels Hasbara-Propaganda. Selbst wenn Hunderte UN- und Hilfsorganisationen das Gegenteil berichten, wiederholen sie Netanyahus Leugnung des Massenhungers wie ein Papagei.
Westliche Medien würden Generäle in Myanmar oder Kriegsherren in Sudan nie mit solcher Nachsicht behandeln, wenn diese den Hunger in ihren Ländern leugnen. Doch die Lüge eines israelischen Politikers europäischen Ursprungs überwiegt in den Redaktionsstuben oft die Realität der nicht-weißen Opfer.
Auch die arabischen Medien sind hiervon nicht ausgenommen. Al Jazeera und Al Arabiya gewährten Netanyahu und israelischen Sprecher:innen unangefochten Sendezeit, um zu lügen. Unter dem Vorwand „ausgewogener Berichterstattung“ wurden sie zu Trägern einer Propaganda, die sogar den Tod von Kindern durch Hunger rechtfertigt. Wenn eine Seite die Plattform nutzt, um Lügen zu verbreiten, ist der Versuch, „beide Seiten“ zu zeigen, bedeutungslos. Zwischen Lügen und Wahrheit kann es kein Gleichgewicht geben.
Wird ein Journalist getötet, werden auch seine Archive, Kontakte und Zeugnisse mit ihm begraben. Trauen sich Überlebende nicht zu sprechen, bleibt die offizielle Lüge die einzige Aufzeichnung. Israel weiß dies und macht das Töten von Journalist:innen zu einer Waffe des Krieges, wohl wissend, dass ohne Zeugen kein Dokument, ohne Dokument keine Gerechtigkeit existiert.
Israels Normalisierung der Tötung von Journalist:innen ist nicht nur ein Verrat an der Wahrheit. Sie ist ein intellektuelles Vergewaltigen des angeblichen journalistischen Auftrags. Eine Presse, die die Hinrichtung von Reporter:innen durch einen Staat akzeptiert und das Schweigen palästinensischer Journalist:innen normalisiert, kann nicht zugleich behaupten, Hüterin der Meinungsfreiheit zu sein.
Das Blut der Journalist:innen in Gaza klebt am Gesicht der Journalist:innen weltweit. Journalisten zu attackieren bedeutet nicht nur, die Gegenwart zum Schweigen zu bringen, sondern auch, die Erzählung der Vergangenheit umzuschreiben und die Zukunft zu monopolisieren. Ohne Zeugen gibt es keine Schuld. Dies ist die Dunkelheit, die Israel errichtet – eine Dunkelheit, die nicht nur Gaza, sondern die Seele der Menschheit verschlingt.