Theismus, Atheismus und das Problem der göttlichen Verborgenheit

Da der theistische Denkansatz eine Vielzahl von Gottesvorstellungen umfasst, kann er im Detail betrachtet eine gewisse Unschärfe aufweisen. Je nach zugrunde gelegtem Gottesbild lassen sich unterschiedliche Antworten auf das Problem der göttlichen Verborgenheit formulieren. Wird das Problem aus der Perspektive des islamischen Denkens betrachtet, so zeigt sich – im Lichte der oben entwickelten Überlegungen –, dass es in Wahrheit kein eigentliches Problem darstellt. Es ist durchaus möglich, dass gläubige Menschen in bestimmten Situationen erwarten, dass Gott mit ihnen eine besondere Verbindung eingeht. Diese Erwartung ist als ein zutiefst menschlicher und psychologisch nachvollziehbarer Prozess zu verstehen – und sollte als vollkommen normal betrachtet werden. Was hingegen nicht als normal gelten kann, ist, wenn diese Erwartung – etwa aufgrund eines Mangels an Erkenntnisvermögen – übersteigert wird und sich in ein Glaubensproblem verwandelt.
April 28, 2025
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Das Problem der göttlichen Verborgenheit

Wenn man versucht, die Vielfalt der Gottes-Mensch-Beziehungen zu erfassen, fallen einem zunächst Kategorien wie Theismus, Atheismus, Deismus, Agnostizismus und Fideismus ein.
Zwar ist es möglich, durch Übergänge zwischen diesen Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen verschiedene Perspektiven zu entwickeln, doch lässt sich sagen, dass der Theismus und der Atheismus die beiden entgegengesetzten Pole darstellen.
In diesem Sinne – ohne auf inhaltliche und wesentliche Unterschiede einzugehen – scheint es zwei scharfe Extreme zu geben: Entweder man glaubt an die Existenz Gottes oder man lehnt sie ab.
Dabei ist bekannt, dass sich sowohl Theisten in viele Gruppen unterteilen lassen als auch Atheisten hinsichtlich der Art ihrer Ablehnung in bestimmte Kategorien eingeordnet werden können.

Im Hinblick auf die Gründe für die Ablehnung Gottes lässt sich die atheistische Denkweise in drei Kategorien einteilen:
Die erste Gruppe besteht aus jenen, die trotz überzeugender Beweise stur und hartnäckig am Unglauben festhalten (resistant nonbelief).
Die zweite Gruppe umfasst diejenigen, die der Frage nach der Existenz Gottes gleichgültig und unreflektiert gegenüberstehen (unreflective nonbelief).
Und die dritte Gruppe besteht aus Menschen, die aufrichtig und vernünftig nach Gott suchen, ihn jedoch nicht finden können (nonresistant nonbelief).

Das Problem der göttlichen Verborgenheit (divine hiddenness) basiert auf der Vorstellung, dass die Existenz von Menschen aus der dritten Gruppe ein Hinweis darauf ist, dass die Argumente für die Existenz Gottes nicht hinreichend klar und überzeugend sind.
Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass Gott sich verbirgt und sich nicht auf eine unbestreitbar deutliche Weise zeigt, führt zu epistemischer Unzulänglichkeit – und somit zu Unglauben.
Dem genannten Argument zufolge gäbe es keine Atheisten der dritten Art, wenn statt Verborgenheit Klarheit bestünde.

Während Theisten behaupten, dass Gott die Quelle von Liebe, Barmherzigkeit und Vollkommenheit sei, führen Atheisten das Schweigen und die Zurückhaltung Gottes gegenüber der menschlichen Suche nach ihm als Beweis für seine Nichtexistenz an.
Dem Argument zufolge ist es unvereinbar mit göttlicher Barmherzigkeit und Liebe, wenn ein Mensch in Momenten tiefster Not mit großer Hoffnung zu Gott fleht, aber keinerlei Antwort erhält.
Diese Perspektive vertritt die Ansicht, dass es zwar im Sinne des Theismus nachvollziehbar ist, wenn jemand aus Gleichgültigkeit oder intellektuellem Desinteresse (also nicht aufrichtiger Atheismus) Gott nicht findet –
aber wenn jemand ehrlich und ernsthaft nach Gott sucht (aufrichtiger, vernünftiger Atheismus), dabei jedoch keine göttliche Antwort erfährt, so sei das Versagen nicht beim Menschen, sondern bei Gott zu suchen.
Folglich ist es plausibler anzunehmen, dass ein Gott, der sich dem Menschen nicht offenbart und keinen direkten Kontakt zu ihm aufnimmt, obwohl er den Unglauben beseitigen könnte, in Wirklichkeit gar nicht existiert.

Zur Verstärkung dieser Überlegung bedienen sich rationale Atheisten folgender Analogie:
Eine Mutter und ihr Kind gehen in den Wald, um Verstecken zu spielen. Das Kind beginnt zu zählen, die Mutter versteckt sich und das Kind macht sich auf die Suche.
Während der Suche lernt das Kind die Umgebung kennen und sammelt neue Eindrücke.
Doch nach einiger Zeit, in der es seine Mutter nicht findet, beginnt es sich zu sorgen und wünscht sich, dass sie sich zeigt.
Es wird dunkel, die Mutter bleibt verschwunden, und das Kind beginnt aus Angst zu weinen.
In diesem Moment erscheint ein Mann mit buschigem Schnurrbart (Nietzsche!) und verkündet, dass die Mutter gestorben sei (Gott ist tot!).
Obwohl das Kind die Suche nicht aufgibt, kann es die Mutter einfach nicht finden. Dabei sitzt die Mutter eigentlich nur ein Stück entfernt auf einem Baum und beobachtet ihr Kind – schweigend.

Wenn man diese Analogie ernst nimmt, ist es selbstverständlich, dass man von der Mutter erwartet, ihrem Kind beizustehen und es vor Gefahren zu schützen.
Ein solches Verhalten, das wir schon einer Mutter nicht zuschreiben würden, sollte erst recht keinem Gott zugeschrieben werden, der als unendlich barmherzig und weise gilt.
Es erscheint völlig sinnlos, dass ein Gott, der erkannt werden möchte, sich gerade vor dem Menschen verbirgt, den er allein und schutzlos in die Welt geschickt hat.
Ein Gott, der auf die ehrliche Suche des Menschen nicht reagiert und sich nicht eindeutig offenbart, enthält in seiner Definition einen Widerspruch –
und kann daher nicht existieren.

Argumente des rationalen Atheismus

  • Aus Sicht rationaler Atheisten, die betonen, dass sie dem Glauben an Gott keine absichtliche Resistenz entgegenbringen, müssten die von Theisten vorgelegten Beweise für die Existenz Gottes wesentlich klarer und so stark sein, dass sie keinen Raum für Zweifel lassen.
    Wenn Gott wirklich möchte, dass die Menschen an seine Existenz glauben, müssten die entsprechenden Beweise zweifellos überzeugend sein. In der Realität jedoch ist dies nicht der Fall – vielmehr existieren auch Gegenargumente gegen die Existenz Gottes.
  • Ein Blick auf die geographische Verteilung des Glaubens zeigt beispielsweise, dass in Ländern wie China oder Korea der Anteil atheistisch eingestellter Menschen sehr hoch ist.
    Wie könnte man unter diesen Umständen behaupten, dass die Menschen in diesen Regionen alle hartnäckige, widerständige Atheisten seien und deshalb von Gott bestraft werden müssten?
    Niemand kann den Ort seiner Geburt selbst bestimmen – daher wäre es ungerecht, Glaube oder Unglaube zu einer bloßen Frage des Zufalls oder der Herkunft zu machen.
    Während in Saudi-Arabien etwa 95 % der Bevölkerung gläubig sind, ist dieses Verhältnis in China nahezu umgekehrt.
    Die demografische Verteilung des Glaubens stellt somit ein ernstzunehmendes Argument gegen die Existenz eines barmherzigen und gerechten Gottes dar.
  • Ein gerechter Gott hätte seine Existenz unmissverständlich offenbaren und dadurch das auf der Erde herrschende Übel mühelos verhindern können.
    Die göttliche Verborgenheit führt vielmehr dazu, dass Menschen Straftaten relativ ungehindert begehen können.
    Wenn man bedenkt, dass Menschen sich bereits aus Angst vor einfachen Strafen – wie etwa Verkehrsgeldern – an Regeln halten, wird deutlich:
    In Gegenwart eines Gottes, dessen Existenz nicht leugbar wäre, wäre das Begehen von Verbrechen kaum denkbar – und so könnte das Böse effektiv verhindert werden. Es ist unvorstellbar, dass ein liebevoller und barmherziger Gott sich selbst verbirgt und damit gegenüber dem Problem des Bösen gleichgültig bleibt.
    Daraus folgt: Ein solcher Gott existiert nicht.

Antworten auf die Argumente des rationalen Atheismus

Bevor man auf die Argumente des rationalen Atheismus eingeht, müssen zwei wesentliche Punkte hervorgehoben werden:

Erstens:
Etwas wirklich zu erkennen und zu verstehen bedeutet, dessen letztursächliche Begründung zu erfassen.
So ist beispielsweise die Aufklärung eines Mordfalls erst dann vollständig, wenn man nicht nur die Kugel findet, die zum Tod geführt hat (A), die Waffe identifiziert (B) und den Täter ermittelt (C), sondern auch – falls vorhanden – denjenigen, der den Täter angestiftet hat, aufdeckt (D). Erst dann kann man von einer vollständigen Aufklärung des Falls sprechen.
Es ist also klar, dass D die „letzte Ursache“ darstellt, und ohne diese lässt sich das Geschehen nicht vollständig erklären.
Dieses Prinzip der finalen Kausalität sollte bei der Untersuchung und wirklichen Erkenntnis eines Phänomens sowohl in den Naturwissenschaften als auch in den Sozialwissenschaften stets beachtet werden.

Wenn man nun versucht, dieses Vorgehen auf das Wissen um Gott anzuwenden, stößt man auf ein grundlegendes Problem:
Gott ist die letztursächliche Begründung für alles, was existiert und geschieht – doch nichts ist seinerseits die Ursache für Gott selbst. Es gibt also keine „erste“ oder „letzte“ Ursache für die Existenz Gottes. Daraus folgt, dass es dem Menschen grundsätzlich unmöglich ist, Gott in seinem wahren Wesen zu erkennen.
In diesem Licht betrachtet, wird schnell klar, dass die Forderung, Gott müsse „offensichtlich und eindeutig erkennbar“ sein, nicht haltbar ist.

Zweitens:
Damit dieser Punkt nicht missverstanden wird, muss ein weiteres Prinzip berücksichtigt werden: Etwas zu erkennen ist nicht gleichbedeutend mit dem Wissen um dessen Wesen (Essenz).
Zum Beispiel ist die Existenz der Pyramiden unbestritten, doch wie genau sie gebaut wurden, ist noch immer nicht vollständig geklärt. Oder: Die Existenz des Lichts ist zweifellos belegt, doch warum es sich im Doppelspaltexperiment teils wie ein Teilchen, teils wie eine Welle verhält, ist nach wie vor rätselhaft.
Diese Beispiele zeigen: Die Tatsache, dass man das Wesen einer Sache nicht vollständig versteht, bedeutet nicht, dass man ihre Existenz bestreiten müsste.

In Bezug auf Gott bedeutet das: Die Erkenntnis seiner Existenz ist nicht gleichbedeutend mit der Erkenntnis seines Wesens.
Folglich kann der Mensch – seinem begrenzten Erkenntnisvermögen entsprechend – zwar die Existenz Gottes begreifen, nicht jedoch sein innerstes Wesen oder was Gott „wirklich“ ist.
Wenn man also eine Beziehung zu Gott aufbauen will, so kann diese nicht über Gottes Wesen erfolgen, sondern muss durch die von Gott gesandten Propheten, die heiligen Schriften sowie durch die in der Natur hinterlassenen Spuren Gottes hergestellt werden.

Lösungen zum Problem der göttlichen Verborgenheit

Nach der bisherigen Erklärung können wir nun zu den Lösungen des Problems der göttlichen Verborgenheit übergehen.

Das Problem der göttlichen Verborgenheit beruht auf der Behauptung, dass Gott sich nicht ausreichend offenbart, sondern im Gegenteil verborgen bleibt. Doch was genau ist mit dem Ausdruck „Gott zeigt sich eindeutig“ gemeint? Wenn hier von einer Offenbarung in einer Weise gesprochen wird, die mit den Sinnen wahrnehmbar ist, so ist es nicht schwer zu erkennen, dass dies ein widersprüchliches und sinnloses Konzept ist. Wenn man davon ausgeht, dass Gott in einem bestimmten Raum präsent und von materieller Beschaffenheit wäre, würde die Erwartung des rationalen Atheisten selbst in sich widersprüchlich erscheinen. Das Argument des rationalen Atheisten „Ich suche nach Gott, aber finde ihn nirgendwo!“ ist mit der Situation zu vergleichen, dass ein Maler nach dem Bild sucht, das er selbst gemalt hat.

Antworten auf die Argumente des rationalen Atheismus

Bevor wir auf die Argumente des rationalen Atheismus eingehen, sollten wir zwei Punkte hervorheben.

Erstens, das wahre Wissen und Verstehen einer Sache bedeutet, ihre ultimative Ursache zu begreifen. Wenn zum Beispiel ein Mordfall gelöst wird, bedeutet das, dass man das Projektil, die Waffe, den Täter und, falls vorhanden, die Person, die den Täter angestiftet hat, findet. In diesem Fall ist der ultimative Grund für den Mord die Handlung der Person D, und ohne D kann der Fall nicht vollständig verstanden und gelöst werden. In der Untersuchung und dem wirklichen Verständnis eines Phänomens oder Objekts muss der Grundsatz der ultimativen Kausalität beachtet werden, sowohl in den positiven Wissenschaften als auch in den Sozialdisziplinen.

Andererseits gibt es bei der Erkenntnis Gottes und dem Verständnis seiner Existenz ein Problem. Alles, was existiert, und alles, was geschieht, hat Gott als seine Ursache. Das bedeutet jedoch, dass nichts die Ursache von Gottes Existenz ist, und folglich kann Gott nicht in der gleichen Weise erkannt oder verstanden werden wie andere Phänomene, die eine eindeutige, kausale Erklärung haben. Aus dieser Perspektive wird es klar, dass es unmöglich ist, Gott „so zu erkennen, wie er wirklich ist“, da es keine „erste“ oder „letzte“ Ursache für Gottes Existenz gibt.

Zweitens sollte klar gestellt werden, dass das Wissen um etwas und das Wissen über seine Natur zwei unterschiedliche Dinge sind. Zum Beispiel ist die Existenz der Pyramiden bekannt, aber wie sie genau gebaut wurden, ist noch immer nicht vollständig verstanden. Ebenso wissen wir, dass Licht existiert, aber wir wissen noch nicht genau, warum es sich in bestimmten Experimenten wie eine Welle und in anderen wie ein Teilchen verhält (Double Slit-Experiment). Das wichtige Prinzip hier ist, dass das Nichtwissen über die Natur einer Sache nicht zur Ablehnung ihrer Existenz führen muss. Daraus folgt, dass das Wissen über die Existenz Gottes nicht gleichbedeutend mit dem vollständigen Verständnis seines Wesens ist. Deshalb kann man sagen, dass der Mensch in der Lage ist, die Existenz Gottes zu erkennen, aber sein Wesen und was er wirklich ist, nicht zu verstehen. Wenn man also eine Beziehung zu Gott aufbauen möchte, sollte diese über die Propheten und heiligen Schriften oder durch die Spuren Gottes in der Natur erfolgen.

Antworten auf die Argumente des rationalen Atheismus

Jetzt können wir auf einige der Argumente des rationalen Atheismus eingehen und mögliche Antworten darauf formulieren.

Rationaler Atheist: „Ich möchte Gott nicht durch Sinne, sondern durch Beweise erkennen.“

Theist: „Wenn wir die Analogie von Bild und Maler verwenden, ist die Existenz des Malers in jedem Pinselstrich des Bildes sichtbar, und ebenso ist die Existenz des Schöpfers im Universum erkennbar, wenn man es untersucht. Daher sollte es nicht schwierig sein, den Schöpfer zu erkennen, wenn man das Universum betrachtet.“

Rationaler Atheist: „Wir können die Phänomene im Universum auch ohne den Verweis auf Gott und durch natürliche und wissenschaftliche Methoden erklären.“

Theist: „Also erklärt ihr die Pinselstriche im Bild, ohne den Maler zu erwähnen! Diese Behauptung enthält im Grunde eine falsche Annahme und unbegründete Hypothesen. Zudem bedeutet die wissenschaftliche Erklärung der Naturereignisse nicht, dass es keinen Gott gibt. Im Gegenteil zeigt es, dass alles nach bestimmten Regeln und Gesetzen entsteht, was wiederum die Existenz eines Schöpfers nahelegt. Was erwartet ihr noch, eine Nachricht wie ‚Gott existiert! Glaubt an mich!‘ am Himmel, geschrieben mit den Sternen?“

Rationaler Atheist: „Eine solche Nachricht wäre tatsächlich gut! Aber auch dann wäre sie kein überzeugender Beweis, da es eine Möglichkeit gibt, dass diese Nachricht zufällig durch Milliarden von Sternen zustande kommen könnte. Daher kann dieses Bild keinen endgültigen Beweis darstellen, und außerdem würde diese Nachricht, da sie in einer bestimmten Sprache geschrieben wäre, von denen, die diese Sprache nicht verstehen, nicht erkannt werden.“

Diese Diskussion könnte so lange fortgesetzt werden, dass beide Seiten zahlreiche Antworten und Gegenargumente austauschen. Es wird jedoch deutlich, dass der rationale Atheist, der behauptet, nicht gegen die Existenz Gottes zu sein und bereit zu sein, Gott zu finden, in Wirklichkeit dazu neigt, auch außergewöhnliche Beweise mit unlogischen Argumenten abzulehnen. Dies widerspricht den Begriffen von Rationalität und dem Fehlen von Widerstand.

Ein weiteres zentrales Thema im Argument der göttlichen Verborgenheit ist die Frage der Aufrichtigkeit. Der rationale Atheist behauptet, sehr aufrichtig in seinem Bestreben zu sein, Gott zu finden, kann ihn aber nicht erkennen. Zunächst muss man sich darüber im Klaren sein, dass das Konzept der Aufrichtigkeit subjektiv ist und es keine Methode gibt, um zu messen, wie aufrichtig jemand ist. Wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, ist es klar, dass es keinen universellen Maßstab für die Frage gibt, bei welchem Grad der Aufrichtigkeit Gott sich einer Person offenbart.

Andererseits wird der Theist, der „sehr aufrichtig in seinem Bestreben war, Gott zu finden“, ohne Schwierigkeiten Gott erkennen, was das Argument des rationalen Atheisten relativieren würde.

Eine genauere Kritik könnte darin bestehen, dass es in der Tat für den Einzelnen (ganz zu schweigen von anderen) sehr schwierig ist, seine eigene Aufrichtigkeit zu messen. Einige positive oder negative Erfahrungen aus der Kindheit könnten unbewusst zu positiven oder negativen Vorurteilen führen, die Entscheidungen beeinflussen. Ein Mensch wird wahrscheinlich glauben, dass er aufrichtig ist, obwohl er sich dieser Vorurteile nicht bewusst ist. Zum Beispiel würde ein Kind, das von einem sehr religiös aussehenden Menschen verletzt wurde, eine negative Wahrnehmung entwickeln, die sich von der positiven Wahrnehmung eines anderen Kindes unterscheidet, das durch Gebet unerwartet das gewünschte Spielzeug erhalten hat. Daher ist es nicht möglich, die Existenz Gottes anhand subjektiver Kriterien von Aufrichtigkeit zu beurteilen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der rationale Atheist, der die Existenz Gottes aufgrund eines nicht messbaren und nicht objektiven Aufrichtigkeitskriteriums ablehnt, eine fehlerhafte Schlussfolgerung zieht. Auf der anderen Seite muss auch der Theist akzeptieren, dass der Versuch, Gottes Existenz nur durch den Begriff der Aufrichtigkeit zu beweisen, ebenfalls ungültig ist.

Es sei daran erinnert, dass rationale Atheisten zur Verdeutlichung ihrer Position oft die Analogie von Mutter und Kind im Wald verwenden, um das Fehlen einer Antwort von der Mutter auf die Suche des Kindes zu verdeutlichen. Solche Analogien erleichtern die Erklärung, können jedoch, wenn sie nicht sorgfältig überdacht werden, zu falschen Schlussfolgerungen führen. In diesem Fall wurde die Beziehung zwischen Mensch und Gott auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind reduziert, wobei der unüberbrückbare ontologische Unterschied ignoriert wurde. Daher ist der Schluss, der aus dieser Analogie gezogen wurde, misslungen.

Antworten auf das Argument der göttlichen Verborgenheit

Obwohl das Beispiel und die Schlussfolgerung aus der oben genannten Analogie unzulässig sind, kann diesem Argument zur Verdeutlichung folgendermaßen geantwortet werden: Eltern vermeiden es, ihren Kindern direkt in ihre Entwicklung einzugreifen, unterstützen sie jedoch im Hintergrund ständig. Direkte Eingriffe könnten mehr schaden als nutzen, da sie die Entwicklung des Kindes gefährden könnten. Wenn ein Kind zum Beispiel fällt und zu weinen beginnt, wird es ihm nicht geholfen, indem man es sofort aufhebt, es tröstet und es umarmt. Vielmehr ist es hilfreicher, wenn die Eltern das Kind dabei beobachten und es warten lassen, bis es selbst aufsteht, anstatt ihm sofort zu helfen. Ein solcher Umgang bedeutet nicht Mangel an Mitgefühl. In ähnlicher Weise wird ein guter Lehrer, anstatt den Schülern sofort Antworten zu geben, Hinweise geben, die sie zum Nachdenken anregen und sie zur Forschung anregen. Dies kann nicht als „Gleichgültigkeit“ oder das „Nichtbeantworten“ von Fragen angesehen werden. Zwar mag es für Kinder schwer zu verstehen sein, dass es sich dabei um eine Lehrmethode handelt, aber wenn sie älter und reifer werden, sollten sie diese Tatsache begreifen. Wenn dies jedoch weiterhin nicht verstanden wird, wäre dies ein problematischer Ansatz.

Als Antwort auf die Analogie von der Mutter und dem Kind im Wald könnte die teistische Sichtweise mit einer eigenen Analogie veranschaulicht werden: Ein Vater, der in einem großen Palast lebt, hat seinem Kind jede notwendige Hilfe bereitgestellt und sogar Spielzeug und einen Spielplatz vorbereitet. Als das Kind ein bestimmtes Alter erreicht, hinterlässt der Vater einen Brief und verschwindet, bittet das Kind, ihn zu suchen, und gibt ihm Anweisungen, was zu tun ist. Wenn das Kind nun, obwohl es alt genug ist und den Brief gelesen hat, weiterhin spielt und sich beklagt: „Warum taucht mein Vater nicht auf? Warum kann ich ihn nicht finden?“, muss der Schluss gezogen werden, dass das Problem nicht beim Vater liegt, sondern bei dem Erwachsenen, der den Brief ignoriert.

In diesem Abschnitt können wir das Argument untersuchen: „Wenn Gott sich auf eine Weise offenbaren würde, die niemand leugnen kann, dann könnten die Menschen keine bösen Taten tun und somit keine unmoralischen Handlungen zeigen.“ Wenn diese Behauptung wahr wäre, müsste man annehmen, dass Theisten, die eine starke Überzeugung an die Existenz Gottes haben, niemals falsch handeln würden. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass dies nicht der Fall ist, und daher wird das Argument leicht widerlegt.

Diese Behauptung kann aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden: Wenn Gott sich in einer äußerst klaren Weise offenbaren würde, würde dies die menschliche Willensfreiheit eliminieren. Gott möchte jedoch, dass die Menschen mit ihrem eigenen freien Willen zwischen Gut und Böse wählen. Hätte Gott gewollt, dass niemand falsch handelt, hätte er dies verhindern können und jeden gezwungen, moralisch zu handeln. Daher ist es normal und zu erwarten, dass Gott sich auf eine Art und Weise zurückhält, die den menschlichen Willen nicht beeinflusst.

Ein weiteres Argument des rationalen Atheismus bezieht sich auf den Einfluss der geografischen und kulturellen Umgebung auf die Entstehung von Überzeugungen. Es wird argumentiert, dass es für jemanden, der in einem Land wie China lebt, sehr schwierig wäre, die Existenz Gottes zu erkennen, während es für jemanden, der in der arabischen Region lebt, sehr offensichtlich wäre. Dies stellt ein wichtiges Argument des rationalen Atheismus dar. In Bezug auf diese Behauptung kann folgendes gesagt werden: Erstens gibt es weltweit sowohl theistische als auch atheistische Menschen, was die Annahme widerlegt, dass die geografische Lage die Überzeugungen eindeutig bestimmt. Andererseits kann man nicht leugnen, dass der geografische Standort und das kulturelle Umfeld einen Einfluss auf den Glauben haben, wenn man statistisch betrachtet.

In diesem Zusammenhang kann eine zweite Perspektive in Betracht gezogen werden: Ein gerechter und barmherziger Gott wird jedem entsprechend seiner Lebensumstände gerecht werden. Es ist sicher, dass jemand, der in einer Gesellschaft aufwächst, in der der Zugang zu Beweisen für Gottes Existenz erschwert und eine atheistische Weltanschauung vorherrschend ist, nicht für seinen Glauben zur Rechenschaft gezogen wird. Solche Menschen sind als „die eroberte Nation“ bekannt, und es ist gewiss, dass ihnen keine Ungerechtigkeit widerfahren wird. Daher wird in diesem Fall keine Ungerechtigkeit aufgrund der göttlichen Verborgenheit vorliegen.

Fazit

Die theistische Denkweise kann aufgrund ihrer Vielzahl an Gottesvorstellungen in die Unklarheit geraten, wenn man sich mit ihr im Detail auseinandersetzt. Im Hinblick auf das Problem der göttlichen Verborgenheit können je nach Zielvorstellung des betrachteten Gottes unterschiedliche Antworten formuliert werden. Wenn man das Problem aus der Perspektive des islamischen Denkens betrachtet, wird in Anbetracht der oben entwickelten Antworten deutlich, dass es kein wirkliches Problem gibt. Es ist durchaus möglich, dass jeder gläubige Mensch in bestimmten Situationen eine besondere Beziehung zu Gott erwartet. Diese Erwartung sollte als ein sehr menschlicher psychologischer Prozess wahrgenommen und als völlig normal betrachtet werden. Das Normale jedoch ist, dass diese Erwartung aufgrund eines Mangels an Verständnis übertrieben wird und somit zu einer Glaubensfrage wird.

Abschließend ist es passend, einige Verse aus dem Koran zu zitieren, die eindeutig zeigen, dass die Existenz Gottes keineswegs verborgen ist und dass sie für die Denker offensichtlich ist.

„Im Himmel und auf der Erde gibt es Zeichen für Allahs Existenz, Einheit und Macht, sodass diejenigen, die nicht glauben, trotz des ständigen Umgangs mit diesen Zeichen sich davon abwenden, ohne darüber nachzudenken.“ (Yusuf 105)

„Für die Gläubigen gibt es viele Zeichen im Himmel und auf der Erde, die Allahs Einheit und Macht zeigen.“ (Casiye 6)

„Bald werden wir ihnen unsere Zeichen sowohl in der äußeren Welt als auch in ihren eigenen inneren Welten zeigen, damit ihnen klar wird, dass der Koran die wahre Wahrheit ist.“ (Fussilet 53)

Selçuk Kütük

Selçuk Kütük studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Istanbul und Physik an der Boğaziçi-Universität.
Derzeit unterrichtet er die Fächer Physik, Mathematik und Geometrie.
Neben verschiedenen Artikeln und Übersetzungen, die in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden, hat er folgende Bücher veröffentlicht: "Lösbare Welt- und Jenseitsprobleme", "Ein Führer durch die Verwirrungen des Verstandes", "Der letzte Ausweg vor dem Chaos", "Über die Philosophie der Wissenschaft", "Der Irrtum des Atheismus", "Von Wissen zu Erleuchtung", "Vom Stift zum Wort", "Was hast du gesehen, erzähl mir mal", und "Deismus".

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