Weltweit stellen Fans offen die anhaltende Unterstützung der FIFA für Israel in Frage und organisieren sich in einer beispiellosen Einheit für Palästina. Anders als bei früheren Aktionen ist diese Mobilisierung bemerkenswert gut koordiniert, weit verbreitet und konsequent.
Die Zeiten, in denen sportliche Solidarität hauptsächlich von den Fanbasen einzelner Vereine wie Celtic, Deportivo Palestino oder arabischen Mannschaften getragen wurde, sind vorbei. Heute steht Gaza unangefochten im Zentrum globaler sportlicher Solidarität. Die Folgen davon sind möglicherweise die bedeutendsten, was die internationale Sensibilisierung für den israelischen Völkermord in Gaza sowie für die militärische Besatzung und das Apartheidregime Israels in ganz Palästina betrifft.
Jahrelang tat die Mainstream-Medienlandschaft alles, um palästinensische Fahnen, Banner und Parolen zu ignorieren. Als die Solidarität in Schottland oder Chile über ein tolerierbares Maß hinausging, reagierte die FIFA mit Geldstrafen und diversen Disziplinarmaßnahmen. Doch heute sind solche Taktiken völlig wirkungslos geworden. Celtic Park verwandelt sich zeitweise in eine riesige pro-palästinensische Kundgebung, und viele andere Vereine schließen sich dieser Bewegung an oder weiten ihre Unterstützung aus.
Am 31. Mai, beim UEFA-Champions-League-Finale zwischen Paris Saint-Germain und Inter, waren die Aktivitäten der PSG-Fans nahezu vollständig auf Palästina ausgerichtet. „Nous sommes tous les enfants de Gaza“ („Wir sind alle Kinder Gazas“) hallte innerhalb und außerhalb des Stadions wider. Als Achraf Hakimi das Eröffnungstor erzielte, wurde im Hintergrund ein riesiges Banner entrollt: „STOPPT DEN VÖLKERMORD IN GAZA“.
Solche beispiellosen Akte sportlicher Solidarität lassen sich eindrucksvoll mit den Sportboykotten gegen das Apartheidregime in Südafrika vergleichen, die Mitte der 1960er Jahre begannen. Diese Boykotte spielten eine entscheidende Rolle dabei, die Apartheid-Debatte zu enttabuisieren und aus den akademischen Sphären in die Straßen zu tragen.
Auch wenn all das zutrifft, sind die beiden Situationen nicht vollständig miteinander vergleichbar. Damals wurden die Boykotte weitgehend auf institutioneller Ebene – dank der Anstrengungen von Ländern des Globalen Südens – ins Leben gerufen und gewannen danach breite öffentliche Unterstützung.
Im Fall Palästinas sind es die Fußballfans, die die Solidarität tragen – während Institutionen wie die FIFA moralisch völlig versagt haben.
Trotz des offen gelebten Rassismus innerhalb israelischer Sportinstitutionen und der gezielten Schädigung des palästinensischen Sports hat die FIFA bislang keinerlei Maßnahmen gegen Israel ergriffen. Ihre altbekannte Ausrede lautet stets: „Sport und Politik dürfen nicht vermischt werden.“
Doch wie ist es dann zu erklären, dass genau diese FIFA im Fall des russischen Angriffs auf die Ukraine keinerlei Probleme hatte, Sport und Politik zu vermengen?
Unmittelbar nach Beginn des Krieges begannen westliche Staaten – im Namen der internationalen Gemeinschaft, wie sie behaupteten – Hunderte, später Tausende Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Russland wurde in nahezu allen Bereichen, einschließlich des Sports, isoliert. Und die FIFA schloss sich dieser Isolierung in kürzester Zeit an.
Im Fall Palästinas jedoch kennt die Doppelmoral keine Grenzen – und das schon lange vor dem Völkermord in Gaza. Jede palästinensische Initiative, Israel für Apartheid und militärische Besatzung zur Rechenschaft zu ziehen – meist unterstützt von arabischen, muslimischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren des Globalen Südens – scheiterte ausnahmslos. Die Antwort war stets dieselbe.
Ein besonders deutliches Beispiel ist die FIFA-Erklärung vom Oktober 2017. Sie war eine Reaktion auf den Abschlussbericht des „FIFA Monitoring Committee Israel–Palestine“, der auf wiederholte Forderungen internationaler Gruppen zurückging, Israels Besatzung zu untersuchen und Konsequenzen zu ziehen.
Die Antwort der FIFA war eindeutig: „Die derzeitige Situation hat (…) nichts mit Fußball zu tun.“
Das Thema sei „äußerst komplex und sensibel“ und könne „nicht einseitig durch eine NGO wie die FIFA gelöst werden“. Die „endgültige Statusfrage der Westbank“ sei Sache der zuständigen internationalen juristischen Instanzen.
Schlussendlich hieß es: „Die FIFA bleibt in politischen Fragen neutral“ und werde „von jeglichen Sanktionen gegen Israel absehen“. Die Angelegenheit wurde für „abgeschlossen“ erklärt.
Doch seither hat sich viel verändert:
Im Juli 2018 erklärte sich Israel offiziell als Staat nur für Jüdinnen und Juden – durch das sogenannte „Nationalstaatsgesetz“. Im Juli 2020 trat ein Gesetz in Kraft, das die Annexion weiter Teile des besetzten Westjordanlands erlaubte. Und seit dem 7. Oktober 2023 führt Israel einen offenen Völkermord gegen Gaza.
Diesmal stammt die anklagende Sprache nicht von Palästinenser oder deren Unterstützer – sondern von internationalen Institutionen, die die grausamen Verbrechen in Gaza aktiv untersuchen.
Die FIFA mag weiterhin behaupten, dass die Situation „zu komplex“ und „zu sensibel“ sei – doch wie kann sie die Tatsache ignorieren, dass in den ersten 14 Monaten des Krieges über 700 palästinensische Sportler:innen getötet und mehr als 270 Sportstätten zerstört wurden?
Hier verdient der unerschütterliche Wille der Palästinenser besondere Anerkennung. Dieser Wille hängt nicht von den Handlungen oder der Untätigkeit der FIFA ab. Während die palästinensische Nationalmannschaft stetig an Stärke gewinnt, schaffen es Kinder in Gaza sogar zwischen den Trümmern ihrer zerbombten Städte, sich improvisierte Fußballfelder zu bauen – und sich damit für einen kurzen Moment aus dem Schrecken des Genozids zu befreien.
Auch wenn die FIFA Palästina weiterhin im Stich lässt, weigern sich Sportfans weltweit, Teil dieser moralischen Bankrotterklärung zu sein. Letztlich wird es nicht nur im Interesse Palästinas oder der Zukunft des Sports sein, sondern im Sinne der eigenen Legitimität der FIFA selbst, dass der Verband zum Handeln gezwungen wird – durch den unbeugsamen Kampfgeist der Palästinenser und die wachsende globale Solidarität mit ihrer Sache.
Quelle: https://www.middleeastmonitor.com/20250612-red-card-for-genocide-why-fifa-must-be-held-to-account/