Lord Platin: Der populäre und umstrittene Rivale des Goldes

Während die Welt ihre Energiequellen transformiert, wird jedes eingesparte Kohlenstoffmolekül von einem anderen Metall bezahlt. Wenn die Katalysatoren, die Wasserstoff ermöglichen, heute nicht auf Platin verzichten können, werden wir morgen gezwungen sein, diesen weißen Edelmetallnamen mit noch dickeren Buchstaben in unsere Bewertungsbücher zu schreiben. Deshalb sollte man bei jedem Preisrückgang nicht nur in Dollar, sondern auch im strategischen Wertmaßstab abwägen. Denn was strategisch ist, wird früher oder später das Finanzielle übertrumpfen.
Juli 2, 2025
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Die Performance von Platin zu ignorieren, ist für keinen Ökonomen mehr möglich!
Nach vielen Jahren steht das weiße Metall wieder lautstark auf dem Radar aller Marktteilnehmer.

Als am Ende des Juni der Preis von 1.341 US-Dollar pro Unze auf meinem Bildschirm erschien, stellte ich mir unweigerlich erneut die Frage, die die Rhetorik des Jahres 2025 prägt:
„Ist dieser Anstieg eine vorübergehende Leidenschaft oder das Zeichen einer langfristigen Transformation?“

Zu Jahresbeginn lag der Unzenpreis bei knapp 1.000 Dollar, heute notiert das Gramm bei 43 Dollar – das bedeutet seit Jahresanfang ein Plus von über 40 Prozent.

In der Finanzterminologie gibt es zwar keinen Begriff wie „Metallermüdung“, aber manchmal wirken die Charts so erschöpft, dass man zwischen den Zeilen den Satz hört, der jeder historischen Rally folgt:
„Was passiert jetzt?“

Die Ursache für diesen Preisanstieg liegt nicht nur im klassischen Spiel von Angebot und Nachfrage. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Geflecht aus Energiewende, Verbraucherpsychologie und geopolitischen Spannungen.

Der jüngste Quartalsbericht des World Platinum Investment Council spricht bereits zum dritten Mal in diesem Jahr von einem sich vertiefenden Marktdefizit: Für 2025 wird ein Produktionsrückstand von 966.000 Unzen erwartet – kombiniert mit dem niedrigsten Gesamtangebot der letzten fünf Jahre.
Noch bemerkenswerter: Bis 2029 soll dieses Defizit durchschnittlich bei 727.000 Unzen jährlich bleiben. Das heißt: Fünf Jahre lang gelangt jedes Jahr fast ein Zehntel weniger Metall auf den Markt als benötigt.

Im Zentrum der Angebotsknappheit steht wie immer Südafrika, das rund 70 Prozent der weltweiten Platinproduktion trägt. Doch die Förderung hängt von tiefen, teuren und langwierigen Untertagebergwerken ab.
Stromausfälle, Arbeitsstreiks und chronische Wasserprobleme haben im ersten Quartal 2025 zu einem Rückgang der Produktion um 13 Prozent geführt.

Und in Russland? Dort wurden Platinreserven zur Finanzierung des Ukraine-Kriegs aufgebraucht, was kurzfristig zu einem Überschuss an Palladium und einem Mangel an Platin führt.
Wenn Russlands aktuelle Lagerbestände erschöpft sind, könnten sich die geopolitischen Schatten noch deutlicher auf dem Markt abzeichnen.

Auf der Nachfrageseite betritt China die Bühne. Während der Spotpreis von Gold die psychologisch wichtige Marke von 2.500 Dollar erreicht, greifen junge chinesische Konsumenten bei Hochzeiten zunehmend zu „modernen“ und „coolen“ Platin-Ketten, statt zu prunkvollen, gelben Goldarmreifen.

Die Schaufenster in den Luxusstraßen Pekings wurden neu arrangiert: Gold zurück, Platin nach vorne. Laut WPIC stieg die chinesische Platinschmucknachfrage in den ersten fünf Monaten des Jahres um 13 Prozent – zum großen Teil getragen von Käufern, die dem Gold den Rücken kehrten.

Abgesehen von der sich stündlich wandelnden Straßenmode deutet dieser Trend auf eine dauerhafte Markt-Neugewichtung im Schmucksegment hin.

Doch die Geschichte endet nicht beim Schmuck.
Die Automobilindustrie hält Platin im Herzen der Katalysatoren am Leben. Der Marktanteil von Elektrofahrzeugen wächst nicht schnell genug, um sich vollständig vom Verbrennungsmotor zu verabschieden.

Vor allem bei Hybridmotoren, bei denen der Verbrenner ständig ein- und ausgeschaltet wird, arbeiten die Katalysatoren bei niedrigeren Temperaturen. Um den Effizienzverlust auszugleichen, wird mehr Platingruppenmetall benötigt.

Die stille Formel der Ingenieure lautet daher:
„Weniger Palladium, mehr Platin – um bei der Dominanz der Hybride die Marge zu sichern.“

Dazu kommt die Wasserstoffwirtschaft:
In jeder Diskussion über grünen Wasserstoff fällt zwangsläufig der Name Platin – sei es als Katalysator in Elektrolyseuren oder in Brennstoffzellen.

Experten, die sich gegenüber Reuters äußerten, betonen, dass große Lkw und Busse das Segment sind, das als letztes elektrifiziert wird – und das mit einem deutlich höheren Platinanteil im Vergleich zu Palladium. Der elektrische Antrieb ist zwar unvermeidlich, doch die Übergangszeit sorgt für eine anhaltende Platin-Nachfrage.

Ein weiteres Kapitel ist der ETF-Markt:
Seit Anfang 2025 verzeichneten globale Platin-ETFs einen Nettozufluss von 70.000 Unzen.
Auf dem Papier bedeutet das: Diese Menge wird dem physischen Angebot entzogen.
Sollten bei einer Korrektur ETF-Investoren plötzlich verkaufen, könnte dies der Spotmarkt mit unerwarteter Liquidität zu spüren bekommen.

UBS warnt hier zur Vorsicht: In ihren wöchentlichen Kommentaren rät die Bank, bei zunehmender Volatilität Gewinne mitzunehmen, langfristige Positionen aber zu halten.

Technisch ist das Bild komplex:
Ein nachhaltiger Halt über 1.200 Dollar pro Unze würde die unvollständige Umkehrformation von 2021 vollenden. Wird dieses Niveau bei den Wochenschlusskursen zur Unterstützung, ist eine entschlossene Rally bis 1.500 Dollar denkbar.

Doch nicht nur Chartlücken, sondern auch Bilanzlücken der Minenunternehmen sollten nicht vergessen werden:
Südafrikanische Produzenten haben Cash-Kosten zwischen 980 und 1.050 Dollar pro Unze.
Fällt der Preis unter die 1.000-Dollar-Schwelle, ist klar, dass viele Minen schließen müssten – was das Angebot zusätzlich verknappen würde.

„Sollte ich Platin halten – trotz all dieses Durcheinanders?“
Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten. Aber drei zentrale Punkte könnten als Kompass für Ihre Entscheidung dienen:

Erstens:
Das Angebotsdefizit ist strukturell – und es sind keine neuen, hochgradigen Lagerstätten in Sicht, die kurzfristig in Produktion gehen könnten.

Zweitens:
Das Dreibein aus Schmuck, Automobil und Wasserstofftechnologie sorgt ab 2025 für eine breitere Nachfragebasis – das Risiko einer Abhängigkeit von nur einem Sektor sinkt.

Drittens:
Eine mögliche Zinssenkung der US-Notenbank könnte den Dollar schwächen und Rohstoffen allgemein Auftrieb geben.

Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass zwischen einem Marathon und einem Sprint ein großer Unterschied besteht.
Ein Platinpreis von 1.350–1.400 Dollar je Unze bis Jahresende entspräche einem Aufschlag von etwa 15 Prozent –
doch eine unerwartete Rezession könnte sowohl die Autonachfrage als auch den Appetit auf Schmuck dämpfen.

Man erinnere sich:
Im Jahr 2008 fiel der Platinpreis innerhalb von zwölf Monaten von 2.200 auf 800 Dollar –
ein Rückschlag, der noch heute als Fußnote in Finanzvorlesungen dient.
Daher gilt: Jede gekaufte Unze sollte von einem konsequenten Risikomanagement begleitet werden.

Natürlich gibt es auch eine politische Dimension.
Während Russlands Ukraine-Abenteuer andauert, werfen westliche Sanktionen einen Schatten auf Palladium.
Platin, das als „ideales Ersatzmetall“ gilt, hat aus Sicht vieler Anleger ein niedrigeres Risikoprofil.

Auch in Südafrika, dem Herz der globalen Platinproduktion, schaffen die bevorstehenden Parlamentswahlen neue Unsicherheiten:
Etwa bei der Erneuerung von Bergbaulizenzen oder den dringend benötigten Reformen im Stromnetz.
Jede Unsicherheit erzeugt einen Risikozuschlag – und jeder Risikozuschlag ist eine neue Stufe im Preisdiagramm.

Ein letzter, aber wichtiger Einschub:
In der Krypto-Welt werden derzeit platin-gestützte Stablecoin-Projekte diskutiert.
Noch sind sie klein, noch fehlen klare Regulierungen –
doch eine Blockchain-Infrastruktur, die die physische Lieferung vereinfacht, könnte zukünftig zu einer völlig neuen Preislogik im Spotmarkt führen.

Man erinnere sich an die ETF-Revolution beim Gold:
Der Status des gelben Metalls als investierbares Gut wurde Anfang der 2000er Jahre dadurch völlig neu definiert.
Platin steht möglicherweise an der Schwelle einer ähnlichen Entwicklung.

In meinem Kalender markieren zwei Termine die entscheidenden Kreuzungen des Jahres für Platin:
die dritte Zinssitzung der Fed im dritten Quartal
und die Streikabstimmung der südafrikanischen Bergarbeitergewerkschaft im September.

Der eine wird die Richtung des Dollars klären, der andere das Angebotsdefizit wie eine Signalampel aufleuchten lassen.
Zwischen diesen beiden Ereignissen bietet sich reichlich Raum für Spekulation, die den Preis antreiben könnte.

Obwohl das Gold-Platin-Verhältnis sich von einem 50-Jahreshoch zurückbewegt,
trägt es noch immer das Potenzial für eine langfristige Umkehr in sich.

Kurzum:
Lord Platin könnte der heimliche Held des Finanzromans von 2025 werden.
Doch jede Geschichte hat ihre Höhen und Tiefen.
Ihre Rolle in dieser Erzählung: In dramatischen Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren
und zu entscheiden, wie treu Sie Ihrer Investition bleiben wollen.

Wenn Sie bei Ihrer Überzeugung bleiben,
könnten die heutigen 46 Dollar pro Gramm zu 60 Dollar Belohnung von morgen werden.
Wenn nicht, zieht sich Platin von der Bühne zurück – und wartet im Hintergrund.
Wie lange es wartet, ist ungewiss.

Aber eines wissen wir:
Im Jahr 2024 haben acht kleinere Zentralbanken weltweit zum ersten Mal bescheidene Mengen Platin in ihre Reserven aufgenommen…

Vergessen Sie nicht:
Bei der globalen Energiewende zahlt jedes eingesparte Kohlenstoffmolekül den Preis – durch ein anderes Metall.

Wenn die Katalysatoren, die den grünen Wasserstoff möglich machen, nicht auf Platin verzichten können,
dann werden wir morgen den Namen dieses weißen Metalls in unseren Bewertungsbüchern mit noch dickeren Lettern schreiben müssen.

Deshalb sollten Sie bei jedem Preisrückgang nicht nur auf den Dollar, sondern auch auf den strategischen Wert blicken.
Denn:
Was strategisch ist, siegt früher oder später über das Finanzielle.

R. Levent Işık

R. Levent Işık wurde 1988 in Istanbul geboren.
Nach dem Abschluss seines Studiums in Öffentlicher Verwaltung und Politikwissenschaft an der Fakultät für Wirtschaft und Verwaltungswissenschaften der Gazi Universität im Jahr 2011 setzte er seine Studien im Bereich Wirtschaft und Verwaltung an der Celal Bayar Universität in Manisa fort und schloss sein Masterstudium ab.
Von 2011 bis 2021 arbeitete er als Bankprüfer und setzt seine Karriere seit 2021 als Filialleiter fort.
Er veröffentlicht Wirtschaft- und Geschichtsartikel in nationalen Zeitungen wie „Diriliş Postası“ und „Milat“ sowie in der Zeitschrift „Z Raporu“.
E-Mail: [email protected]

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