Griechenland wird rasch zu Israels treuestem und unerwartetstem Freund.
Während sich ein Großteil der internationalen Gemeinschaft von den Militäroperationen Israels im Gazastreifen zurückzieht, geht Griechenland in die entgegengesetzte Richtung. Athen, einst bekannt für seine historische Solidarität mit der palästinensischen Sache, tritt heute auf diplomatischer, militärischer und rhetorischer Ebene als einer der lautstärksten und verlässlichsten Verbündeten Israels in Europa hervor.
Dieser Wandel lässt sich nicht allein mit ideologischen Gründen erklären. Griechenlands unerschütterliche Unterstützung für Israel spiegelt tiefere geopolitische Ziele wider: die Festigung seiner strategischen Position im östlichen Mittelmeer, den Ausgleich gegenüber der Türkei sowie den Zugang zu Energie- und Verteidigungspartnerschaften. Doch diese Ausrichtung könnte für Griechenland auch diplomatische Kosten mit sich bringen, da sie seine langjährige Glaubwürdigkeit in Fragen des Völkerrechts untergräbt.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis zeigte seine Haltung deutlich, als er nur zwei Wochen nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober als erster Staatschef Israel besuchte. In Jerusalem erklärte er: „Ich bin nicht nur als Verbündeter hierhergekommen, sondern als wahrer Freund.“ Seitdem hat sich Griechenland von anderen europäischen Demokratien distanziert, die Israels Vorgehen in Gaza und im Westjordanland verurteilten oder sich davon fernhielten.
In den vergangenen zwei Jahren geriet Israel weltweit zunehmend unter Beobachtung: Vorwürfe von Kriegsverbrechen, die wachsende Besatzung im Westjordanland sowie eine vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingeleitete Völkermorduntersuchung. Dennoch hat Griechenland Israel diplomatisch und militärisch stabil unterstützt.
Im Juli 2024 bombardierten israelische Jets Ziele im Jemen – der am weitesten entfernte Luftangriff, der je von israelischem Territorium aus geflogen wurde. Laut israelischen Medien hatten einige der eingesetzten Flugzeuge wenige Wochen zuvor an gemeinsamen Übungen auf dem Stützpunkt Souda Bay auf Kreta teilgenommen, bei denen Langstreckeneinsätze simuliert wurden. Auch wenn Griechenland nicht direkt beteiligt war, vermittelte diese Zusammenarbeit eine klare Botschaft strategischer Angleichung.
Griechenland spielte zudem eine mäßigende Rolle bei der EU-Reaktion auf Israel; häufig verwässerte es stärkere Maßnahmen oder widersetzte sich diesen. Im Mai 2025 erwog der EU-Rat für Auswärtige Angelegenheiten, das umfassende Handels- und Kooperationsabkommen mit Israel angesichts der sich verschlechternden humanitären Lage in Gaza zu überprüfen (und möglicherweise auszusetzen). Der von den Niederlanden eingebrachte Vorschlag erhielt die Unterstützung von 17 der 27 Außenminister – Griechenland gehörte jedoch zu den wenigen Ländern (darunter Zypern, Deutschland, Ungarn, Italien, Tschechien, Kroatien, Litauen und Bulgarien), die diesen Schritt ablehnten.
Zwei Monate später trat der Rat erneut zusammen, um zehn Vorschläge zu erörtern, die Israel unter Druck setzen sollten, die humanitäre Lage in Gaza zu verbessern. Die 27 Außenminister einigten sich jedoch lediglich darauf, Israels Einhaltung des jüngsten Abkommens zur Verbesserung des humanitären Zugangs „genau zu beobachten“. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte: „Es geht nicht darum, Israel zu bestrafen; es geht darum, die Lage in Gaza zu verbessern.“
Die EU veröffentlichte weder Protokolle noch Abstimmungsdaten, sodass Griechenlands genaue Position unklar blieb. Politische Analysten in Athen sind jedoch überzeugt, dass Griechenland, gestützt auf frühere diplomatische Aktivitäten, keine der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Druckausübung auf Israel unterstützte.
Später weigerte sich Griechenland auch, sich den 22 anderen Staaten anzuschließen, die die Hungersnotbedingungen im Gazastreifen verurteilten. Im Juli 2025 unterzeichnete es zunächst nicht die gemeinsame Erklärung von 26 westlichen Staaten, die die Lieferung von UN-Hilfsgütern an die Palästinenser in Gaza forderten. Griechenland und Zypern traten der Erklärung schließlich 24 Stunden später bei.
Im Juni 2025, als die Spannungen zwischen Israel und Iran eskalierten, landete Netanyahus offizielles Flugzeug, der „Flügel Zions“, in Athen. Die Regierung beharrte darauf, dass sich nur der israelische Botschafter an Bord befand, doch über den eigentlichen Zweck des Fluges wurde schnell spekuliert.
Noch bemerkenswerter war, dass Griechenland sich weigerte klarzustellen, ob es den Haftbefehl des IStGH gegen Netanyahu umsetzen würde, falls dieser griechischen Boden beträte. Regierungssprecher Pavlos Marinakis spielte die Bedeutung der Entscheidung herunter und erklärte, das Urteil sei „eine Entscheidung, die kein Problem lösen werde“. Auffällig ist zudem, dass Netanyahu auf seinen Reisen nach Europa und in die USA gezielt Länder mied, die bekanntermaßen eher bereit gewesen wären, den Haftbefehl zu vollstrecken – und stattdessen griechischen Luftraum nutzte.
Griechenlands Unterstützung für Israel spiegelt auch gemeinsame Energieziele wider. Im März 2025 lobte Umwelt- und Energieminister Stavros Papastavrou nach einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen die „gemeinsamen Ziele für Entwicklung und Stabilität“. Im Zentrum dieser Zusammenarbeit steht das lang diskutierte „Great Sea Interconnector“-Projekt – ein Unterseekabel, das Israel, Zypern und Griechenland miteinander verbinden soll. Obwohl das Projekt seit seiner Vorschlagseinbringung 2017 stagniert, ist die griechische Regierung entschlossen, es als strategisches Instrument zur Eindämmung des türkischen Einflusses wiederzubeleben.
Auch wirtschaftlich vertiefen sich die Beziehungen. Die israelischen Investitionen in den griechischen Immobilien- und Tourismussektor wachsen weiter. Für 2025 wurden rund eine Million israelische Touristen in Griechenland erwartet, doch die Spannungen mit Iran brachten viele Reisepläne durcheinander.
Im Inland ist Griechenlands israelfreundliche Haltung inzwischen Teil der politischen Erzählung der Regierungspartei. Nach einer pro-palästinensischen Demonstration in Athen im Juli 2025 twitterte Gesundheitsminister Adonis Georgiadis – zugleich stellvertretender Vorsitzender der konservativen Partei –, die Demonstranten seien „Antisemiten und Feinde Israels, unseres treuesten und wertvollsten Verbündeten“. Er fügte hinzu: „Ob sie wollen oder nicht, wir stehen an Israels Seite.“ Justizminister George Florides trieb die Eskalation weiter voran, als er im Parlament die Opposition faktisch des Hochverrats beschuldigte und ausrief: „Die konservativen Abgeordneten unterstützen das strategische Bündnis mit Israel, während ihr (die Opposition) versucht, es zugunsten der Türkei zu sabotieren. Zugunsten der Türkei!“