Dreiergespräche Syrien–Türkei–USA und die Integration der SDK

Die Eingliederung der SDK in die staatliche Armee ist für die Türkei eine seit Langem erwartete Entwicklung. Allerdings wäre es für Ankara nicht akzeptabel, wenn diese Regelung lediglich auf ein „Rebranding“ hinausliefe und die bewaffnete institutionelle Struktur fortbestünde.
November 21, 2025
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Vor den erwarteten Gesprächen zwischen Schara und Trump in Washington wurde bekanntgegeben, dass aufgrund der aktiven Rolle Ankaras in den syrischen und regionalen Dynamiken auch der türkische Außenminister Hakan Fidan zu dem Treffen eingeladen wurde. Somit haben sich die trilateralen Gespräche zwischen Syrien, der Türkei und den USA zu einem wichtigen Wendepunkt in der seit über zehn Jahren festgefahrenen diplomatischen Dossier der Syrienkrise entwickelt. Hauptthema der Gespräche war die Integration der SDK (Syrische Demokratische Kräfte/SDF) in die syrische Armee. Diese Frage steht im Zentrum einer vielschichtigen geopolitischen Debatte, die nicht nur das innere Kräfteverhältnis Syriens betrifft, sondern auch die Sicherheitsbedenken der Türkei, die regionalen Strategien der USA, die Zukunft der syrischen Kurden und die erneute Machtkonsolidierung in Damaskus.
Annäherung zwischen SDK und Damaskus: Grundsatzvereinbarung und schwierige Fragen

Die syrische Regierung und die SDK gaben bekannt, dass eine Grundsatzvereinbarung über die schrittweise Integration der bewaffneten Einheiten der Organisation in die syrische Armee und staatliche Institutionen erzielt worden sei. In diesem Rahmen soll ein Ausschuss eingerichtet, die Waffenstillstandsmechanismen ausgeweitet und in einigen Regionen gemeinsame Sicherheitsstrukturen geschaffen werden. Die Erklärungen von Mazlum Abdi zeigen, dass der Prozess für die SDK eine Art „Legitimations- und Sicherheitsbestreben“ darstellt. Abdi zufolge ist eine Einigung mit Damaskus ein unvermeidlicher Schritt für die Zukunft der Organisation und für die regionale Stabilität.

Die politischen Status- und Rechtsfragen der kurdischen Bürger Syriens stehen ohnehin im Zentrum der Debatten über ein „Neues Syrien“ und sollen durch den gemeinsamen Willen aller Syrer gestaltet werden. Diese Themen, die die Zukunft des Landes betreffen, gehören zu den Hauptpunkten des neu eingerichteten Übergangsparlaments. Ankara, das ein aktiver Akteur im Prozess ist, betont, dass die Kurden dieselben Rechte wie alle anderen Syrer besitzen sollen. Daher ist es wichtig, dass die Debatten über die politischen Statusfragen der gesellschaftlichen Gruppen nicht aufgeschoben werden.

Die Position der Türkei: Ein einheitliches Syrien und eine einzige Armee

Die Türkei verfolgt den Prozess genau, und die erste Reaktion Ankaras spiegelt ein Gleichgewicht zwischen vorsichtigem Optimismus und strategischen Überlegungen wider. Die Eingliederung der SDK in die staatliche Armee ist für Ankara eine seit Langem erwartete Entwicklung. Dass die Organisation ihre halbautonome militärische Struktur aufgibt und sich der zentralen Staatsautorität unterstellt, steht im Einklang mit der seit Jahren betonten türkischen Haltung zu „territorialer Integrität Syriens“ und „einer einzigen Armee“. Allerdings wäre es für die Türkei nicht akzeptabel, wenn diese Regelung vor Ort lediglich auf ein „Rebranding“ hinausliefe und die bewaffnete institutionelle Struktur der SDK in anderer Form fortbestünde.

In diesem Zusammenhang stellt Ankara drei zentrale Fragen:
Erstens: Wie wird die Führungsebene der SDK neu strukturiert?
Zweitens: Welche Positionen werden Mitglieder mit YPG-Vergangenheit innerhalb der staatlichen Armee einnehmen?
Drittens: Werden konkrete Mechanismen geschaffen, die die Sicherheitsbedenken der Türkei an der Grenze ausräumen können?

Die Teilnahme der Türkei an den Gesprächen in Washington war Teil der Suche nach Antworten auf diese Fragen. Ein weiterer Grund für Ankaras Sensibilität ist das Risiko unvorhergesehener Konflikte in der Grenzregion, die strategische Verwundbarkeiten schaffen könnten. Ankara möchte einer solchen Möglichkeit nicht begegnen müssen.

Die Rolle der USA: Vermittler und Beobachter

Die Teilnahme der USA an dem Dreiergespräch zeigt, dass der Prozess nicht nur die Beziehungen zwischen Damaskus und der SDK betrifft, sondern auch die regionale Konstellation neu formt. Washingtons Anwesenheit bedeutet sowohl eine Beobachtung des Integrationsprozesses als auch den Versuch, ein Gegengewicht zum „Russland–Iran-dominierten“ Kräftegleichgewicht in Syrien zu schaffen. Die Haltung der USA verweist auf drei gleichzeitige Ziele:
Erstens, zur erneuten Staatsbildung Syriens beizutragen, indem die SDK in das System integriert wird.
Zweitens, Spielraum für eine Entspannung in den Beziehungen zur Türkei zu schaffen.
Drittens, die Zersplitterung Syriens zu verhindern und das Risiko einer neuen Konfliktwelle zu reduzieren.

Wichtig ist dabei, dass bestimmte Kreise in den USA versuchen, die seit Jahren bestehende Beziehung zur SDK in einem anderen Format fortzuführen. Diese Möglichkeit birgt verschiedene Risiken. Die USA sollten keine Initiativen verfolgen, die neue Krisen auslösen oder ihre selbst definierte Rolle als „Vermittler und Beobachter“ in Syrien untergraben könnten. Andernfalls könnte Syrien in eine neue Konfliktdynamik hineingezogen werden.

Denn auch innerhalb der USA existieren zwei unterschiedliche Linien in der Syrienpolitik:
– die Pentagon-Position, die auf eine Fortsetzung der taktischen Partnerschaft mit der SDK setzt, und
– die Position des State Department, das auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Türkei und auf die Integration der SDK in das syrische Staatssystem abzielt.

Die trilateralen Gespräche können daher auch als ein Schritt verstanden werden, um diese Divergenz zwischen den beiden Linien zu verringern.

Kurdische Perspektive

Die kurdische Perspektive lässt sich auf zwei verschiedenen Ebenen betrachten. Die erste ist der Ansatz, den Prozess zu unterstützen – eine Haltung, die von der Mehrheit der syrischen Kurden geteilt wird. Aus ihrer Sicht wird die Eingliederung der SDK in die staatliche Armee dazu beitragen, dass die Kurden zu einem legitimen und institutionellen Akteur innerhalb der syrischen Innenpolitik werden. Dies wird langfristig als Chance für Sicherheit und Anerkennung gesehen.

Auf der anderen Seite betrachten einige Kurden – überwiegend diejenigen, die nicht aus Syrien stammen – die Integration mit Damaskus als eine Art Demontage der militärischen und administrativen Errungenschaften der SDK. Manche deuten dies sogar als eine Form von Assimilation. Entscheidend ist hier jedoch weniger der technische Aspekt der Integration als vielmehr die rechtlichen und politischen Garantien. Die von Ankara öffentlich erklärte Haltung zu Syrien und den syrischen Kurden müsste diese Bedenken ausräumen. Denn in allen Erklärungen Ankaras wird besonders auf den politischen und rechtlichen Status aller Bevölkerungsgruppen in Syrien hingewiesen.

Realitäten vor Ort: Warum die Umsetzung schwierig ist

In einem so fragmentierten Konfliktraum wie Syrien kann jeder Integrationsplan nur funktionieren, wenn drei Faktoren vor Ort miteinander in Einklang stehen.

Der erste betrifft die lokalen Machtverhältnisse – also die Kompatibilität der Integration mit der gesellschaftlichen Struktur. In diesem Sinne sind die Haltung der Stämme, der lokalen Milizen und der wirtschaftlichen Netzwerke entscheidend.

Der zweite Faktor sind die Prioritäten der Akteure. Zwar kann man in diesem Zusammenhang auch von der Türkei, den USA, Russland und Iran sprechen, doch im Kern ist Ankara entscheidend – aufgrund der langen gemeinsamen Grenze und der verwandten Bevölkerungsgruppen. Daher ist die Unterstützung der Integration durch Ankara besonders wichtig.

Der dritte und vielleicht wichtigste Faktor ist die staatliche Kapazität Syriens. Dies betrifft die Fähigkeit des Regimes in Damaskus, Wiederaufbau voranzutreiben, politische Integration umzusetzen, gesellschaftliche Unterschiede zu internalisieren und das Land zu einem sicheren Ort zu machen. Kurz gesagt: die Fähigkeit, den Prozess zu steuern. Deshalb wird die Umsetzung der „Grundsatzvereinbarung“, trotz der Bedeutung des ersten Treffens, Zeit brauchen und sich anhand der nachfolgenden Teilverhandlungen formen.

An dieser Stelle ist auch die Rolle Russlands und Irans von zentraler Bedeutung. Russland unterstützt die Integration der SDK, da sie die zentrale Autorität in Damaskus stärken würde. Iran hingegen agiert zurückhaltender, da die Integration die Einflussmöglichkeiten seiner Miliznetzwerke einschränken könnte. Der Erfolg der trilateralen Gespräche hängt daher unmittelbar von der Haltung dieser beiden Akteure ab.

Für Moskau stellt die Integration zudem ein Instrument dar, um die Präsenz der syrischen Armee im Land auszuweiten und die eigene militärische Präsenz kostengünstiger aufrechtzuerhalten. Teheran wiederum verfolgt den Prozess aus einer kontrollierten Distanz, aus Sorge, dass die Einbindung der SDK in Damaskus’ Strukturen den Einfluss seiner Milizen schwächen könnte.

Ökonomische Realität: Der unsichtbare Bestimmungsfaktor der Integration

Was letztlich über die Zukunft der SDK-Damaskus-Integration entscheiden wird, ist weniger die militärische Organisation als vielmehr die Frage, wer die Ressourcen kontrolliert und wie diese verwaltet werden. Erdölfelder, Grenzhandel, Zolleinnahmen und die Kontrolle über lokale Ökonomien verwandeln den Prozess von einem politischen Verhandlungsthema in einen wirtschaftlichen Machtkampf.

Um seine staatliche Handlungsfähigkeit wiederherzustellen, ist Damaskus auf diese Ressourcen angewiesen. Unter Bedingungen fortbestehender Sanktionen und mangelnder externer Finanzierung ist es nahezu unmöglich, dass eine politische Vereinbarung Wirkung entfaltet, ohne zuvor eine wirtschaftliche Regelung getroffen zu haben.

Daher wird der unsichtbare Bestimmungsfaktor der Integration nicht die Ökonomie an sich sein, sondern die politische Macht der Ökonomie. Fortschritte im Bereich Sicherheit und Politik können nur dann nachhaltig werden, wenn die wirtschaftliche Machtverteilung fair und praktikabel organisiert wird. Mit anderen Worten: Die sicherheits- und politikbezogenen Fortschritte müssen durch einen verlässlichen wirtschaftlichen Rahmen gestützt werden.

Ein neues Kapitel für Syrien oder nur eine taktische Zwischenphase?

Die zentrale Frage lautet hier: „Werden die Gespräche ein neues Kapitel für Syrien eröffnen oder lediglich eine taktische Übergangsphase darstellen?“ Diese Frage ist berechtigt. Doch das trilaterale Gespräch zwischen Syrien, der Türkei und den USA weist auf eine Form diplomatischer Annäherung hin, wie sie seit Langem nicht mehr in der syrischen Realität zu beobachten war. Die Integration der SDK in die Armee könnte – sofern die richtigen Mechanismen geschaffen werden – eine bedeutende Chance für die regionale Stabilität darstellen. Gleichzeitig birgt dieser Prozess allerdings auch einige fragile Gleichgewichte.

Das erste empfindliche Gleichgewicht betrifft den Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt. In diesem Zusammenhang ist es von großer Bedeutung, dass die Rechte aller gesellschaftlichen Gruppen in Syrien verfassungsrechtlich abgesichert und ihre politische Repräsentation an klare rechtliche Normen gebunden wird. Ein weiterer Punkt betrifft die ordnungsgemäße und nachhaltige Behandlung der türkischen Sicherheitsbedenken an der Grenze. Der dritte Bereich der Fragilität ist die zentralistische Haltung Damaskus’. Hier lohnt sich ein genauer Blick: Es ist von existenzieller Bedeutung, dass Syrien nicht in eine ähnliche politische Verwaltungskrise hineingezogen wird wie Afghanistan oder Irak nach den jeweiligen Besetzungen. Wird dies beachtet, kann das Gleichgewicht zwischen einem zentralistischen Ansatz und gestärkten lokalen Verwaltungen durch den gemeinsamen Willen der syrischen Bevölkerung hergestellt werden.

Ein weiterer relevanter Aspekt ist die regionale Repositionierungsstrategie der USA. Diese Strategie umfasst die Reduzierung der direkten militärischen Präsenz im Nahen Osten, gleichzeitig jedoch die Aufrechterhaltung der Fähigkeit, politische und militärische Prozesse zu beeinflussen, sowie die Konzentration auf neue geopolitische Prioritäten (insbesondere China und den asiatisch-pazifischen Raum). Ohne sich vollständig aus der Syrien-Gleichung zurückzuziehen, möchte Washington die SDK in das System integrieren, sie nicht verlieren, die Beziehungen zur Türkei verbessern, den Einfluss Russlands und Irans begrenzen und als diplomatisches Gravitationszentrum bestehen bleiben. Dies lässt sich als „Suche nach geringer Kostenbelastung bei gleichzeitig hoher Kontrolle“ formulieren.

Zusammenfassend ist es sinnvoll, die aktuelle Phase weniger als ein „Ergebnis“ denn als eine Übergangsperiode zu betrachten, in der die neue syrische Architektur zur Diskussion steht. Das endgültige Gleichgewicht wird vermutlich von der Wirksamkeit der Umsetzung vor Ort, vom Fortschritt, der auf Grundlage gegenseitigen Vertrauens zwischen den Parteien erzielt wird, und davon abhängen, wie internationale Akteure diesen Prozess beeinflussen. Eines ist dabei klar: Den türkischen Akteuren, die in Syrien Verantwortung tragen, kommt in dieser Phase eine äußerst wichtige Rolle zu.

Adnan Boynukara

Zwischen 1987 und 2009 arbeitete er als Ingenieur und Manager in verschiedenen Institutionen. Von 2009 bis 2015 war er als Hochberatender bei dem Ministerium für Justiz tätig. In der 25. und 26. Legislaturperiode war er als Abgeordneter der Provinz Adıyaman im türkischen Parlament (TBMM) tätig. Er hat Arbeiten in den Bereichen öffentliche Verwaltung, Sicherheit, Terrorismusbekämpfung, Konfliktlösung und Friedensprozesse durchgeführt.

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