Der neue Klassenkampf

Die Europa erschütternde „grüne Gegenreaktion“ – der sogenannte Greenlash – zeigt deutlich, dass politischer Widerstand unvermeidlich wird, wenn elitäre Politiken den Bürgern auferlegt werden, ohne die materiellen Auswirkungen auf die gewöhnliche Bevölkerung zu berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Sorgen über die Kosten der Klimapolitik verbinden sich mit kulturellen Beschwerden, die aus dem Misstrauen gegenüber Politikern und wissenschaftlichen Autoritäten resultieren, und schaffen so eine mächtige Oppositionsbewegung. Studien zeigen, dass die Unzufriedenheit mit grünen Politiken sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Wurzeln hat und dass der Widerstand insbesondere in Regionen zunimmt, die vom Wandel in der Automobilindustrie oder von Einschränkungen beim Energieverbrauch betroffen sind.
November 2, 2025
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Ein tektonischer Wandel vollzieht sich weltweit – eine Welle massiver Volksproteste, die trotz ihrer Größe und Bedeutung in den Mainstream-Medien kaum Beachtung findet. Was 2019 mit niederländischen Landwirten und 2022 mit kanadischen Lkw-Fahrern begann, hat sich zu einer breiteren Arbeiterklassenrevolte entwickelt, die das politische Panorama des Jahres 2025 prägt. In den Niederlanden marschierten Zehntausende von Landwirten gegen Regierungsmaßnahmen, die ihre Existenz bedrohen. In Kanada wurden den Truckern die Bankkonten eingefroren, Spendenaktionen blockiert – ihr Widerstand gegen staatliche Übergriffe wurde nicht mit Dialog, sondern mit finanzieller Repression beantwortet. In Sri Lanka stürzte die Regierung, als ihre utopischen Pläne für eine „organische Transformation“ an der harten Realität und dem Zorn des Volkes zerschellten.

Diese Ereignisse sind keine Einzelfälle, sondern Anzeichen einer breiteren Rebellion gegen die Ambitionen einer globalen Elite, die zunehmend Umwelt- und Wirtschaftsagenden durchsetzt, die den einfachen Menschen schaden. Gegen Ende des Jahres 2025 hat sich dieser Trend weiter vertieft. Migrantenfeindliche Proteste sind in Großbritannien, den Niederlanden, Irland und Deutschland zur Norm geworden und legen die tiefen gesellschaftlichen Bruchlinien Europas offen. Was wir erleben, ist eine neue Form des Klassenkonflikts – nicht mehr zwischen „links“ und „rechts“, sondern zwischen der herrschenden Elite und der unteren Mittel- und Arbeiterklasse.

Vier Gruppen treiben diese Dynamik voran: Aktivisten, die von apokalyptischen Szenarien besessen und in Medien, Politik und Wissenschaft überrepräsentiert sind; Politiker, die auf Plattformen wie Twitter nach moralischer Anerkennung streben; Unternehmen, die Trends aus Profitgründen folgen, unabhängig von Überzeugungen; und schließlich die „schweigende Mehrheit“ – Menschen, die ihre Steuern zahlen, in Ruhe leben wollen, deren Welt aber zunehmend durch von oben verordnete Maßnahmen gestört wird.

Ein Beispiel: Deutschland. Der Ausstieg aus der Kernenergie wurde aus ideologischen, nicht aus praktischen Gründen beschlossen. Bürger, die überzeugt wurden, dass Wind- und Solarenergie die Versorgungslücke schließen würden, sehen sich nun mit steigenden Kosten und sinkender Zuverlässigkeit konfrontiert. Trotz Fortschritten bei erneuerbaren Energien zahlen Süd- und Osteuropa immer noch 40 bis 70 Prozent höhere Einzelhandelspreise für Energie als vor der Krise. Ähnliche Muster zeigen sich in der Agrarpolitik: Angesichts anhaltender Bauernproteste musste die Europäische Kommission mehrere Verpflichtungen des „Green Deal“ zurückziehen. In allen Fällen werden demokratische Gesellschaften zunehmend nicht von Mehrheiten, sondern von kleinen, lautstarken Interessengruppen regiert.

Die politischen Folgen sind unübersehbar. Im Jahr 2025 führen populistische Parteien erstmals in der modernen Geschichte gleichzeitig die Umfragen in Österreich, Deutschland, Frankreich und Großbritannien an. In Deutschland ist die AfD mit 26 Prozent die stärkste Partei. In den Niederlanden brachte Geert Wilders die Regierung mit seiner Einwanderungspolitik zu Fall. Polen kehrt zur konservativen Rechten zurück, während Populisten in Portugal, Österreich und Tschechien deutliche Zugewinne verzeichnen.

Gleichzeitig entfremden sich die sogenannten progressiven Bewegungen des Westens immer mehr von der Arbeiterklasse, die sie einst zu vertreten vorgaben. Die meisten Menschen wünschen sich bezahlbare Energie, Ernährungssicherheit, gute Schulen, kontrollierte Migration und den Erhalt nationaler Identität – nicht eine endlose „grüne Revolution“, die von Akademikern und staatlich geförderten Aktivisten entworfen wurde.

In den USA wurde Donald Trump 2024 vor allem dank der Stimmen der Arbeiterklasse wiedergewählt – nicht, weil diese konservativer geworden wäre. Studien zeigen, dass Arbeiter ohne Hochschulabschluss seit den 1990er-Jahren in vielen Fragen progressiver geworden sind, aber dennoch die Demokraten verlassen. Trump gewann sie, weil er ihre wirtschaftlichen Sorgen ansprach – nicht mit Ideologie, sondern mit Empathie. Er erzielte Zugewinne in Regionen, die von Deindustrialisierung und Automatisierung schwer getroffen wurden, und gewann Mehrheiten in einkommensschwachen, von Sozialhilfe abhängigen Bezirken.

Die Folgen zeigen sich nicht nur in Wahlergebnissen, sondern auch im Rückzug elitärer Prioritäten. Nach Trumps Wiederwahl zogen Konzerne wie Amazon, Meta, Google und IBM ihre Programme für Diversität, Gleichheit und Inklusion (DEI) zurück. Was einst als unverzichtbar galt, gilt nun als politisch toxisch. Unternehmen begründen diesen Schritt mit rechtlichem Druck und einem veränderten politischen Klima. Elitäre Universitäten sehen sich derweil wachsendem Widerstand gegen Quotenregelungen und wahrgenommene Diskriminierung der Kinder von Trump-Wählern ausgesetzt.

Im Zentrum dieses stillen Krieges steht die Kontrolle über Information. Durch das Unterdrücken von Berichten über Proteste oder die Diffamierung von Gegnern als Extremisten versuchen Eliten, effektive Organisation und Widerstand zu verhindern. Die Reaktion auf Kanadas Trucker, die Etikettierung niederländischer Bauern als Radikale und die Fokussierung auf extreme Stimmen in Protestbewegungen dienen der Marginalisierung legitimer demokratischer Anliegen.

Dieser Klassenkampf ist nicht nur eine innenpolitische Angelegenheit, sondern auch geopolitisch bedeutsam. Europa sabotiert sich in einem Moment, in dem strategische Kohärenz am dringendsten gebraucht würde. Während China seine „Neue Seidenstraße“ vorantreibt, priorisieren EU-Führer in ihren Entwicklungsstrategien Klima- und Genderziele. Seit 2021 hat Europa über eine Million Industriearbeitsplätze verloren – vor allem wegen steigender Energiekosten. Ohne langfristige Energieverträge und Effizienzinitiativen droht der vollständige Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.

Die Regierenden müssen beweisen, dass sie Politik im Interesse der Menschen betreiben, denen sie dienen. Die Umfragen des Jahres 2025 repräsentieren keine extreme Minderheit, sondern eine demokratische Mehrheit, die gehört werden will. Solange dieser Wandel ausbleibt, wird die Kluft zwischen den Ambitionen der Eliten und den Realitäten der Arbeiterklasse weiter wachsen – und die Grundlage demokratischer Legitimität weiter erodieren. Der Krieg ist nicht mehr still. Es ist Zeit, dass die Mehrheit ihre Stimme findet – und im Jahr 2025, von Amsterdam bis Dublin, von Berlin bis Washington, wird diese Stimme mit jeder Woche lauter.

Quelle: https://brusselssignal.eu/2025/10/the-new-class-war/