Übersetzung und Einführung: Cengiz Sözübek
Ein Beitrag von Andrey Kortunov, einem Experten des angesehenen russischen Thinktanks Valdai-Diskussionsklub, über die mögliche Lockerung der US-Sanktionen gegen das Projekt Paks-2 sowie über die Zukunft des Dialogs zwischen Moskau und Washington, wurde in der russischen Zeitung Iswestija veröffentlicht.
Ausgehend von der Entscheidung Donald Trumps, die Sanktionen gegen das von Russland in Ungarn betriebene Atomkraftwerksprojekt Paks-2 aufzuheben, analysiert Kortunov die Möglichkeit einer umfassenden Aufhebung der gegen Russland verhängten Sanktionen und beleuchtet die allgemeinen Entwicklungen in den US-russischen Beziehungen. Dabei wird betont, dass Trump dringend eine „Erfolgsgeschichte“ benötige, um wieder glaubwürdig zu erscheinen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass Russlands harte Haltung im Ukraine-Konflikt Trump im Russland-Dossier isoliert habe und seine Position gegenüber den Demokraten schwäche.
Die im Beitrag aufgeworfene Frage „Werden Russland und die USA bilaterale Hightech-Projekte initiieren?“ lässt sich im Kontext der bereits bestehenden, sanktionsunabhängigen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern interpretieren. So bezieht etwa Elon Musk Nickel für Tesla-Batterien vom russischen Unternehmen Nornickel, das in der Arktis operiert. Auch für seine Raketenprojekte plant Musk, Rohstoffe aus Russland zu beschaffen. Sollte Russland die Nickel-Lieferungen an Tesla stoppen, wäre die Produktion des Unternehmens kurzfristig unmöglich.
Ironischerweise wird in Russland die Achterbahn oft als „amerikanische Achterbahn“ bezeichnet, während in den USA vom „russischen Rollercoaster“ die Rede ist. Der Schwung dieser russisch-amerikanischen Achterbahn scheint sich an einer Formel zu orientieren, auf die sich Trump und Putin möglicherweise einigen könnten: „Durch Kompromiss teilen – durch Teilen Kompromiss schaffen“.
Die russisch-amerikanische Achterbahn
Laut einer kürzlich erfolgten Erklärung des ungarischen Außen- und Handelsministers Péter Szijjártó hat Donald Trump die Finanzsanktionen aufgehoben, die den Bau des russischen Atomkraftwerksprojekts Paks-2 in Ungarn – unter Leitung des russischen Staatsunternehmens Rosatom (auch verantwortlich für das türkische AKW-Projekt Akkuyu) – behinderten.
Die von der Biden-Regierung Ende letzten Jahres verhängten Sanktionen richteten sich offiziell gegen Moskau. Am stärksten betroffen war jedoch Budapest, das den Bau von zwei neuen leistungsstarken Reaktorblöcken in Paks als wichtigen Schritt zur nationalen Energiesouveränität betrachtete (die ersten vier Blöcke wurden in der Sowjetzeit errichtet).
Bereits ein Jahr zuvor hatte die ungarische Regierung mit großem diplomatischem Aufwand erreicht, dass das Projekt Paks-2 von der neuen Sanktionsliste der EU gestrichen wurde. Doch das Weiße Haus unter den Demokraten zeigte sich hart und kompromisslos, was in Budapest als „politische Vergeltung“ interpretiert wurde – eine Bestrafung für die Sympathien der Ungarn gegenüber dem Republikaner Trump.
In diesem Kontext sollte die Aufhebung der Sanktionen gegen Gazprombank weniger als Geschenk an den russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern vielmehr als großzügige Geste gegenüber dem ungarischen Premierminister Viktor Orbán verstanden werden. Auch französische Unternehmen, die am Paks-2-Projekt beteiligt sind, profitieren indirekt von der US-Entscheidung.
Gleichzeitig hat die Aufhebung der Sanktionen gegen Gazprombank neue Hoffnungen auf eine weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington geweckt. In letzter Zeit waren von amerikanischer Seite kaum positive Signale zu vernehmen: Das US-Außenministerium hat ein zuvor vereinbartes nächstes Treffen zur Beseitigung von „störenden Faktoren“ in den bilateralen Beziehungen verschoben oder sogar ganz abgesagt. Der US-Präsident zeigte sich wenig begeistert von Russlands Bereitschaft, im Konflikt zwischen Israel und Iran als Vermittler aufzutreten. Und zuletzt wurde in öffentlichen Stellungnahmen amerikanischer Offizieller immer wieder Unmut über Russlands „harte“ Haltung zur Lösung der Ukraine-Frage geäußert.
Kann die jüngste Entscheidung in Bezug auf Gazprombank als positiver Schritt in den russisch-amerikanischen Beziehungen gewertet werden? Ist mit ähnlichen Entscheidungen zugunsten anderer russischer Finanzinstitute zu rechnen? Werden Russland und die USA bilaterale Hightech-Projekte ins Leben rufen?
Natürlich würden wir diese Fragen gerne mit Ja beantworten – doch derzeit scheint es dafür keine ausreichenden Gründe zu geben. Der Kreml und das Weiße Haus verfolgen beim Thema Normalisierung der bilateralen Beziehungen sehr unterschiedliche Herangehensweisen, was sich zwangsläufig auf die Qualität und Dynamik des Dialogs auswirkt.
Russlands Herangehensweise lässt sich als „systemisch“ beschreiben. Sie basiert auf der Auffassung, dass bilaterale Beziehungen zwischen Großmächten ein komplexes und vielschichtiges Phänomen darstellen, bei dem jeder einzelne Aspekt – ob politisch, militärisch-strategisch, wirtschaftlich, diplomatisch oder humanitär – von eigenständiger Bedeutung ist. Daraus folgt, dass eine umfassende Normalisierung nur möglich ist, wenn in allen Bereichen gleichzeitig Fortschritte erzielt werden – auch wenn diese Fortschritte nicht notwendigerweise schnell erfolgen.
Für den US-Präsidenten besteht Außenpolitik aus einer Reihe von „Deals“, die häufig keinerlei Zusammenhang zueinander aufweisen – sei es mit Verbündeten und Freunden oder mit Amerikas Feinden. Dazu zählen die europäischen Mitglieder der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) ebenso wie Mexiko, Kanada, Iran, China und andere. Für jeden ausländischen Partner hat Amerika ein eigenes Format: Für Iran den Verzicht auf nukleare Ambitionen, für China ein Abkommen über Zölle im Handel, für die europäischen NATO-Mitglieder das Versprechen, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen.
Man sollte auch erwähnen, dass Donald Trump ungeduldig ist und nicht warten will. Beeindruckende „Deals“ braucht er nicht bis zum Ende seiner möglichen zweiten Amtszeit oder gar bis zu den Zwischenwahlen im November nächsten Jahres. Er braucht sie heute, spätestens morgen.
Washington erwartet von Moskau ebenfalls einen solch schicksalhaften „Deal“ – in Form einer Einigung über die Beendigung des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Dass Trump eine klare Vorstellung davon hat, wie eine langfristige politische Lösung des Konflikts aussehen soll – geschweige denn, wie ein neues Sicherheitssystem in Europa aufgebaut werden könnte –, lässt sich kaum behaupten. Aber der amerikanische Präsident muss um jeden Preis zumindest einen Waffenstillstand auf Zeit erzielen. Nur so kann er der ganzen Welt seinen Triumph präsentieren – und beweisen, dass er in einem Bereich erfolgreich war, in dem sein demokratischer Vorgänger Joe Biden vollkommen gescheitert ist.
Deshalb werden auch ernsthafte, sorgfältige und per Definition nicht schnelle Bemühungen um eine vollständige Wiederherstellung der russisch-amerikanischen Beziehungen aus Trumps Sicht niemals den gleichen Stellenwert haben wie ein historischer „Deal“ zur Ukraine. Vor allem, weil Moskau in anderen Bereichen zu keinerlei Zugeständnissen gegenüber Washington bereit ist – im Gegensatz zu den europäischen NATO-Partnern der USA, die kürzlich nahezu einstimmig beschlossen haben, ihre Verteidigungsausgaben bis 2035 auf ein in Friedenszeiten fast utopisches Niveau von 5 % des BIP zu erhöhen. Oder auch im Gegensatz zur Führung in Kiew, die bereitwillig sämtliche natürlichen Ressourcen des Landes dem amerikanischen Unternehmertum zur Verfügung gestellt hat, um sich Trumps Ambitionen anzupassen.
Man darf nicht vergessen, dass der derzeitige Hausherr im Weißen Haus, der sich ehrlich um eine Wiederbelebung des Dialogs mit Moskau bemüht, fast vollständig isoliert ist. Selbst viele Mitglieder seines eigenen Teams stehen Russland bestenfalls gleichgültig und distanziert gegenüber. Russland steht nicht auf ihrer Prioritätenliste. Der grundlegende anti-russische Konsens, der sich in Washington vor Jahren gebildet hat, ist keineswegs verschwunden. Heute muss man feststellen, dass es auf der amerikanischen politischen Bühne keine ernstzunehmenden politischen oder wirtschaftlichen Interessengruppen gibt, die sich aktiv für einen neuen russisch-amerikanischen „Reset“ einsetzen.
Der Druck auf Donald Trump von rechts wird anhalten. Fast zeitgleich mit der Entscheidung in Bezug auf Gazprombank behauptete der republikanische Senator Lindsey Graham in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC News, dass der US-Präsident grünes Licht für ein neues, von Graham seit Monaten angekündigtes Sanktionspaket gegen Russland gegeben habe, das im Kongress vorangebracht werden solle. Auch wenn der Senator seine Wunschvorstellungen als Realität darstellt, ist es für die russische Seite noch viel zu früh, um sich in Sicherheit zu wiegen.