Der palästinensische Widerstand verhandelt weiterhin – am Tisch und auf dem Schlachtfeld
Mitten in den seit Monaten andauernden Kämpfen im Gazastreifen hat der militärische Flügel der Hamas, die Izzeddin-al-Qassam-Brigaden, Videoaufnahmen einer Operation im Karara-Gebiet östlich von Khan Yunis veröffentlicht. Diese Operation, die den Namen „Davuds Steine“ trägt, ist nicht nur als taktischer Angriff, sondern auch als politische und strategische Botschaft zu verstehen. Während sie den Vormarsch der israelischen Armee auf dem Boden infrage stellt, rückt sie gleichzeitig die Kriegsziele der unter Premierminister Benjamin Netanjahu stehenden israelischen Regierung erneut ins Blickfeld.
Details der Operation
Die veröffentlichten Aufnahmen zeigen, wie Qassam-Kämpfer mit einer Panzerabwehrrakete auf israelische Soldaten feuern, die sich in einem zuvor evakuierten Gebiet verschanzt hatten. Anschließend werden in der Umgebung platzierte Sprengsätze zur Explosion gebracht und verwundete Soldaten mit Maschinengewehrfeuer unter Beschuss genommen. Besonders bemerkenswert ist, dass Kassam-Kämpfer durch den Ausgang eines Tunnels direkt in das Gefechtsfeld vordringen – ein Hinweis darauf, dass es sich bei der Aktion nicht um einen spontanen Angriff, sondern um eine langfristig geplante und durch Beobachtung gestützte Operation handelt.
Tunnel: Nach wie vor ein entscheidender Faktor
Die Operation „Davuds Steine“ beweist, dass die Tunnelinfrastruktur des Widerstands selbst inmitten des Krieges funktionsfähig bleibt. Trotz monatelanger israelischer Luftangriffe und Bodenoperationen werden die unterirdischen Netzwerke unter Gaza weiterhin effektiv genutzt. Dass Israel diesen Tunneln nicht Herr wird, hat drei Hauptgründe:
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Die Unkontrollierbarkeit des unterirdischen Raums
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Das Versagen technologischer Mittel
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Die Verminung der Eingänge
Dies zeigt, dass der Widerstand nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Untergrund fortbesteht – und dass Israel bislang nicht in der Lage ist, diese Bedrohung auszuschalten.
Der größere Zusammenhang: Eine Strategie, die nicht nur den Widerstand, sondern auch das Volk ins Visier nimmt
Seit dem 7. Oktober richtet sich der militärische Vorstoß Israels nicht nur gegen die militärischen Kapazitäten der Hamas, sondern auch gegen die demografische und soziale Struktur Gazas. Die erzwungene Vertreibung von Nord nach Süd, die systematische Zerstörung der Infrastruktur, das Blockieren humanitärer Hilfslieferungen und der Zusammenbruch öffentlicher Dienste deuten auf einen Druckmechanismus hin, der weit über militärische Ziele hinausgeht.
In diesem Prozess beharrt Israel nicht auf einem dauerhaften Waffenstillstand, sondern auf dem Konzept „temporärer Pausen“. Diese kurzen Unterbrechungen dienen meist dazu, Waffenbestände aufzufüllen, militärische Einheiten neu zu organisieren und strategische Vorbereitungen zu treffen. Die israelische Regierung verfolgt dabei nicht das Ziel, den Krieg zu beenden, sondern ihn in nachhaltiger Weise fortzusetzen.
Netanjahus Strategie: Nicht den Widerstand schwächen, sondern Gaza entvölkern
Die Regierung unter Benjamin Netanjahu zeigt sich in zentralen Fragen wie dem Gefangenenaustausch oder einem humanitären Waffenstillstand weitgehend untätig. Im Gegenteil: Die vorgeschlagenen temporären Waffenruhen werden als taktische Manöver betrachtet, die nicht über eine bloße „Kriegspause“ hinausgehen. Die systematische Räumung von Stadtvierteln in Nordgaza, die Vertreibung der Zivilbevölkerung in den Süden und die Blockierung der Rückkehrwege spiegeln dieses strategische Ziel direkt auf dem Boden wider.
Reaktion des Widerstands: Politische Verhandlungen und militärischer Druck als parallele Strategien
In diesem Kontext ist die Operation „Davuds Steine“ nicht nur ein taktischer Erfolg, sondern auch eine politische Botschaft des Widerstands. Zeitpunkt und Ort der Operation zeigen, dass der Widerstand selbst in von der israelischen Armee kontrollierten Gebieten aktiv bleiben kann. Dies verdeutlicht, dass sich der Widerstand nicht bloß in einer defensiven Position befindet, sondern aktiv versucht, die Initiative zu ergreifen.
Darüber hinaus beschreibt diese Situation auch den Verhandlungsansatz des palästinensischen Widerstands. Für ihn sind die indirekten Gespräche am Verhandlungstisch und die militärischen Operationen auf dem Schlachtfeld keine getrennten, sondern sich ergänzende Prozesse. In diesem Sinne wird die Verhandlung nicht nur als politisches, sondern auch als militärisches Instrument eingesetzt.
Blockade in den Verhandlungen und die Unzulänglichkeit temporärer Lösungen
In den letzten zwei Jahren haben die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas keine nennenswerten Fortschritte erzielt. Vorschläge zu „temporären Waffenstillständen“ scheiterten meist an gegenseitigem Misstrauen und am fehlenden politischen Willen für eine dauerhafte Lösung. Die israelische Seite nutzte diese Phasen häufig, um ihre militärischen Vorteile wiederherzustellen. Selbst humanitäre Themen wie der Gefangenenaustausch wurden auf rein militärische Kalkulationen reduziert.
Diese Entwicklung führte dazu, dass der palästinensische Widerstand seine Aktivitäten nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im diplomatischen Bereich intensivierte. Die Botschaft ist eindeutig: Der Krieg wird nicht nur mit Waffen, sondern auch am Verhandlungstisch geführt.
Die Operation „Davuds Steine“ belegt, dass die militärischen Kapazitäten des palästinensischen Widerstands in Gaza weiterhin lebendig und wirksam sind. Der Tunnelkrieg hat sich über konventionelle militärische Taktiken hinaus zu einer asymmetrischen Herausforderung für die israelische Armee entwickelt. Israels militärische Überlegenheit reicht nicht aus, um den Widerstand zu beseitigen – im Gegenteil, sie führt zunehmend zur Infragestellung seiner Präsenz auf dem Boden.
Gleichzeitig macht diese Operation die doppelte Verhandlungsstrategie des Widerstands deutlich: Diplomatische Bemühungen am Tisch werden durch militärische Aktionen vor Ort flankiert. Dadurch wird der Konflikt nicht nur als Abwehrkampf verstanden, sondern auch als Ausdruck von Entschlossenheit und dem Streben nach einem Kräftegleichgewicht.
Solange sich die Positionen der Konfliktparteien nicht grundlegend ändern, werden Operationen dieser Art sowohl auf dem Schlachtfeld als auch im politischen Raum weiterhin eine maßgebliche Rolle spielen. In einer Phase, in der ein dauerhafter Waffenstillstand unerreichbar erscheint und der Druck zur Vertreibung wächst, behauptet sich der Widerstand in Gaza nicht nur als militärische Kraft, sondern auch als aktiver Akteur in den Verhandlungen.