Ist Trump ein Neandertaler?

Dann kam Trump – und brachte die Beleidigung im Alleingang zurück. Mehr noch: Er sorgte sogar dafür, dass sich der Ausdruck „Neandertaler“ in Sprachen ausbreitete, in denen er bislang lediglich eine ausgestorbene Menschenart bezeichnete. Trumps Sexualpolitik, wie sie im berüchtigten Access Hollywood-Mitschnitt vom Oktober 2016 zutage trat, rechtfertigte den Begriff – doch es waren nicht nur seine „neandertalerhaften“ Aussagen über Frauen. In seiner ersten Amtszeit zeigte Trump seine wahre Gesinnung als Paläokonservativer – oder zumindest als dessen Sympathisant – mit seinem archaischen MAGA-Nationalismus, seiner globalen Abschottungspolitik, seiner pseudo-christlichen Moralvorstellung, seinen anti-abtreibungs- und LGBTQ-feindlichen Haltungen sowie seinem Rassismus. Diese Eigenschaften – gepaart mit seiner offensichtlichen Unwissenheit und Orientierungslosigkeit – machten ihn weltweit zur Zielscheibe der Bezeichnung „Neandertaler“, von südafrikanischen bis hin zu armenischen Zeitungen. In den USA begann die Beleidigung gerade wieder in Vergessenheit zu geraten, als Präsident Joe Biden – selbst politisch sozialisiert in einer Zeit, in der „Neandertaler“ gängige Beschimpfung war – im März 2021 den texanischen Gouverneur Greg Abbott beschuldigte, „neandertalerhaft zu denken“, weil dieser die Maskenpflicht in Texas aufhob – mitten in der Corona-Pandemie.
April 22, 2025
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Es mag politisch unkorrekt sein, es so zu sagen, aber verzweifelte Zeiten erfordern Worte, die der existenziellen Bedrohung durch Donald Trump in seiner 80. Amtszeit angemessen sind.

Das Englische ist die einzige Sprache, die den „Neandertaler“ – ein längst ausgestorbenes hominines Wesen der Altsteinzeit – in eine Beleidigung und ein Schimpfwort verwandelt hat. Seit der Entdeckung eines Schädeldachs mit markanten Überaugenwülsten in Preußen im Jahr 1856 und der darauf folgenden Benennung des „Neandertalers“ haftet dieser Spezies (oder Unterart) ein schlechter Ruf an – als primitive, unterlegene Spiegelgestalt des Homo sapiens.

Doch erst in den 1920er-Jahren wurde ihr Name zum Synonym für archaisches, rückständiges Denken und Verhalten. Die Neandertaler-Metapher wurde weit verbreitet für Sportler (vor allem Boxer), veraltete Technologien oder von feministischen Bewegungen bedrohte Männlichkeitsbilder verwendet – aber besonders passend erschien sie in der Politik. Hitler galt als Neandertaler, ebenso Stalin (man erinnere sich an Arthur Koestlers Verdammung des „Neandertal-Denkens“).

Auch in den USA wurde der Begriff nach dem Zweiten Weltkrieg bereitwillig auf eine Reihe reaktionärer, oft rassistischer republikanischer Politiker angewandt – von Theodore Bilbo über Barry Goldwater bis hin zu Richard Nixon. In Presseberichten und Kommentaren tauchte das Wort ganz selbstverständlich auf, ohne Anstoß zu erregen. Es störte niemanden, eine ausgestorbene Menschenart zu benutzen, um andere Menschen zu diffamieren – solange diese eben ausgestorben war. Die progressive Linke übernahm das andere N-Wort bereitwillig, um politische Gegner und ihre Ideen zu diskreditieren, als Hindernisse für Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit.

Bereits 1940 prangerte der unermüdliche, antirassistische Anthropologe Ashley Montagu den metaphorischen Gebrauch des Begriffs „Neandertaler“ an. Seither flammte eine Kampagne zur Rehabilitierung des Neandertalers immer wieder auf. In den 1980er-Jahren war die politische Schmähung im Abklingen begriffen – bis zwei Bewegungen, der Feminismus und die Umweltbewegung, ihr neues Leben einhauchten.

Im frühen 21. Jahrhundert füllten archäologische Erkenntnisse die Schlagzeilen mit Formulierungen wie „Neandertaler waren nicht so dumm“ und „Neandertaler waren auch Menschen“. Die Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms im Jahr 2010, zusammen mit der wachsenden Popularität genetischer Herkunftstests, verlieh dem Neandertaler neue Menschlichkeit: Man stellte fest, dass wir alle – selbst afrikanische Bevölkerungsgruppen – einen kleinen Teil ihres Erbguts in uns tragen, durch Jahrtausende der Vermischung.

Bis 2016 war – im Zuge eines bis in die Steinzeit erweiterten politischen Korrektheitsdenkens – die Metapher in gedruckter Form nahezu verschwunden.

Dann kam Trump – und hauchte dem Schimpfwort im Alleingang neues Leben ein. Er sorgte sogar dafür, dass sich die Beleidigung auf Sprachen ausdehnte, in denen „Neandertaler“ zuvor nur einen ausgestorbenen Frühmenschen bezeichnet hatte.

Trumps Sexualpolitik, wie sie im „Access Hollywood“-Mitschnitt vom Oktober 2016 offenbart wurde, rechtfertigte den Begriff – doch es waren nicht nur seine „neandertalerhaften“ Äußerungen über Frauen. In seiner ersten Amtszeit offenbarte sich Trump als Paläokonservativer – oder zumindest als dessen Sympathisant – mit seinem atavistischen Make America Great Again-Nationalismus, seiner globalen Isolation, seinen pseudo-christlichen Moralvorstellungen, seinen anti-abtreibungs- und LGBTQ-feindlichen Neigungen sowie seinem Rassismus.

Diese Eigenschaften – zusammen mit seiner offenkundigen Dummheit und Unwissenheit – verschafften ihm die Bezeichnung „Neandertaler“ in Zeitungen von Südafrika bis Armenien. In den USA begann das Schimpfwort gerade wieder zu verblassen, als Joe Biden – der politisch in einer Zeit sozialisiert wurde, in der „Neandertaler“ gängige Beschimpfung war – im März 2021 den texanischen Gouverneur Greg Abbott für die Aufhebung der Maskenpflicht mit „Neandertaler-Denken“ rügte, mitten in der Corona-Pandemie.

Prompt eilten republikanische Politiker dem ausgestorbenen Homininen im Kulturkampf zur Verteidigung. Es war der Schwanengesang des Neandertalers – zumindest im Printbereich –, denn große Medienhäuser begannen, sich von dem Begriff zu distanzieren, aus Sorge, niemanden (nicht einmal Verstorbene) zu kränken. Auf den sozialen Medien jedoch hallt die Beleidigung weiter nach.

Hier nun ein bescheidener Vorschlag:
Jene unter uns, die sich Trump entgegenstellen – und ich vermute, diese Gruppe wird immer größer –, sollten ein Wort aufgreifen, das reich an historischer und symbolischer Bedeutung für die politische Linke ist. Es gibt nur wenige Begriffe, die Trumps Dummheit und Unfähigkeit so treffend beschreiben wie dieser.

Er führt Krieg gegen Institutionen des Wissens – von öffentlichen Bibliotheken über Museen bis hin zu Forschungseinrichtungen. Er greift Programme für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) an. Und nun entfacht er durch seine Ignoranz eine globale wirtschaftliche Katastrophe.

Trump ist ein Neandertaler – einer, der in eine längst untergegangene Welt zurückblickt: in eine Ära des merkantilistischen Protektionismus, der weißen Vorherrschaft und männlichen Dominanz.

Und wir alle haben uns weiterentwickelt.

Ich weiß – es ist nicht fair gegenüber den Neandertalern.
Aber wenn wir Trump so nennen, dann beleidigen wir letztlich auch uns selbst – denn ein bisschen Neandertaler steckt in uns allen.
Besonders in denen, die ihn erneut ins Amt gewählt haben.

*Peter Sahlins ist emeritierter Professor für Geschichte an der University of California, Berkeley, und Autor des kommenden Buchs „Neanderthals Among Us: A Cultural History“ (Oneworld, 2026).

Quelle: https://www.counterpunch.org/2025/04/17/is-trump-a-neanderthal/