Gibt es einen Bürgerkrieg am Horizont? Der Ashkenazi-Sephardische Konflikt und die Zukunft Israels

Ashkenazi (westliche) Juden haben in Israel über Jahrzehnten hinweg die Vorherrschaft in allen Bereichen der Macht etabliert. Diese Vorherrschaft ist nicht überraschend, da der Zionismus im Wesentlichen eine westlich geprägte Ideologie war, und alle Elemente des Staates – militärisch (Haganah), gesetzgebend (Knesset), kolonial (Jüdische Agentur) und wirtschaftlich (Histadrut) – größtenteils aus westlich-europäischen jüdischen Klassen bestanden. Sephardische und Mizrahi-Juden, die aus arabischen Ländern im Nahen Osten stammen, sind überwiegend nach der Gründung Israels ins Land eingewandert, die nach der Zerstörung des historischen Palästinas stattfand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Ashkenazim in den entscheidenden Positionen der israelischen Macht etabliert.
April 12, 2025
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„Bürgerkrieg“ ist heute einer der am häufigsten verwendeten Begriffe unter israelischen Politikern. Der Ausdruck, der von Präsident Isaac Herzog nur als Warnung geäußert wurde, wird mittlerweile von vielen Mainstream-Politikern Israels als eine mögliche Realität akzeptiert.

Der ehemalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert sagte in einem Interview mit der New York Times am 24. März: „(Ministerpräsident Benjamin) Netanyahu ist bereit, alles zu opfern, um zu überleben, und wir sind den Bürgerkrieg näher, als die Menschen denken.“

Die Angst vor einem Bürgerkrieg in Israel wird als Spiegelbild der politischen Polarisierung im Land betrachtet: Der Konflikt dreht sich um Fragen wie die Rolle der Regierung, die Justiz, die Budgetverteilung und andere Themen, bei denen die Gesellschaft stark gespalten ist.

Doch diese Annahme ist nicht ganz zutreffend. Staaten können sich entlang politischer Linien spalten; aber Massenproteste und der Druck der Sicherheitskräfte sind nicht immer ein Zeichen für einen bevorstehenden Bürgerkrieg.

Im Fall Israels jedoch stammen die Erwähnungen eines Bürgerkriegs aus dem historischen Kontext und der sozio-ethnischen Struktur des Landes.

Ein bedeutender, jedoch weitgehend geheimer CIA-Bericht mit dem Titel „Israel: Der Ashkenazi-Sephardische Konflikt und seine Folgen“, der tiefgehende sozioökonomische und damit auch politische Spaltungen im Land darstellt, bietet eine prophetische Sicht auf mögliche zukünftige Szenarien.

Der Bericht wurde 1982 verfasst, aber erst 2007 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er wurde nach den Wahlen von 1981 erstellt, in denen die Likud-Partei unter Menachem Begin mit 48 Sitzen und die Arbeitspartei mit Schimon Peres 47 Sitzen einholte.

Ashkenazi (westliche) Juden hatten über Jahrzehnten die Macht in allen Bereichen Israels etabliert. Diese Vorherrschaft ist nicht überraschend, da der Zionismus im Wesentlichen eine westlich geprägte Ideologie war und die Strukturen des Staates – militärisch (Haganah), gesetzgebend (Knesset), kolonial (Jüdische Agentur) und wirtschaftlich (Histadrut) – größtenteils aus westlich-europäischen jüdischen Klassen bestanden.

Juden aus dem arabischen Nahen Osten, Sephardim und Mizrachim, sind weitgehend nach der Gründung Israels ins Land eingewandert, die auf den Ruinen des historischen Palästinas erfolgte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Ashkenazim längst die Kontrolle über die politischen und wirtschaftlichen Institutionen Israels erlangt, sprachen die dominanten Sprachen und hatten wichtige Entscheidungspostitionen besetzt.

Der Sieg von Begin in den Wahlen 1977 und 1981 war ein langer und harter Kampf gegen die Ashkenazi-Herrschaft. Der Likud, der aus einer Koalition mehrerer rechter Fraktionen bestand und vier Jahre zuvor gegründet wurde, gelang es, die Arbeitspartei, die von den Ashkenazim dominiert wurde, von der Macht zu verdrängen, indem er geschickt die Beschwerden marginaler ideologischer und ethnischer Gruppen aufgriff und manipulierte.

Die Wahlen von 1981 waren ein verzweifelter Versuch der Arbeitspartei, die Macht – und damit die soziale Überlegenheit – zurückzuerobern. Doch die fast perfekt hervorgerufene ideologische Spaltung verdeutlichte nur noch stärker die neue Regel, die Israel für Jahrzehnten prägen sollte: eine Zeit, in der die israelische Politik nach ethnischen Linien gestaltet wird; ein Zeitraum, der von Konflikten zwischen Ost und West, religiösem Fanatismus und nationalistischem Extremismus – oft unter der Maske des „Liberalismus“ – geprägt ist.

Seitdem hat Israel, um mit seinen inneren Spaltungen umzugehen, entweder äußere Krisen gemanagt oder genauer gesagt, diese Krisen selbst erzeugt. So half zum Beispiel der Libanonkrieg von 1982, zumindest für eine gewisse Zeit, die Aufmerksamkeit von den sich verändernden sozialen Dynamiken Israels abzulenken.

Obwohl Begin und seine Anhänger die israelische Politik neu gestaltet haben, ermöglichte die tief verwurzelte Vorherrschaft der von Ashkenazim geführten Institutionen den westlichen Liberalen, ihre Kontrolle über das Militär, die Polizei, den Schin Bet (Shin Bet) und viele andere Sektoren beizubehalten. Der politische Aufstieg der Sephardim konzentrierte sich hingegen hauptsächlich auf die Besiedlung der illegalen Siedlungen in den besetzten Gebieten Israels und die Erhöhung der Privilegien und Finanzierung religiöser Institutionen.

Nach Begins Sieg 1977 dauerte es etwa zwanzig Jahre, bis der Einflussblock der Sephardim seine Macht ausbaute und die Kontrolle über entscheidende militärische und politische Institutionen erlangte.

Netanyahus Koalition 1996 symbolisierte seinen Aufstieg zum längstdienenden Ministerpräsidenten Israels und markierte den Beginn seiner Koalitionen mit den Sephardim und Mizrahi-Allianzen.

Um diese neu gewonnene Macht zu erhalten, musste sich der politische Kern des Likud verändern; denn die Repräsentation der Sephardim und Mizrahi war in dieser nun dominanten Partei erheblich gewachsen.

Es wäre zutreffend zu sagen, dass Netanyahu, indem er die Beschwerden benachteiligter sozioökonomischer, religiöser und ethnischer Gruppen manipulierte, Israels Politik seitdem lenkt. Doch die tiefgreifende Veränderung, die im CIA-Bericht richtig vorhergesagt wurde, war ohnehin wahrscheinlich, da sie auf Israels eigenen inneren Dynamiken basierte.

Netanyahu und seine Verbündeten beschleunigten Israels Transformation. Um die Ashkenazi-Herrschaft dauerhaft zu marginalisieren, mussten sie die Kontrolle über alle Institutionen übernehmen, die größtenteils von europäischen Juden beherrscht wurden. Der Ausgangspunkt war dabei die Veränderung des seit der Gründung Israels bestehenden Systems von Gleichgewicht und Kontrolle.

Dieser Kampf in Israel begann vor dem israelischen Völkermord in Gaza. Weitgehend begann es mit Netanyahus Aufstand gegen das Oberste Gericht und seinem Versuch, den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant im März 2023 zu entlassen. Die darauf folgenden Massenproteste legten die wachsende Kluft eindeutig offen.

Der Krieg gegen Gaza vertiefte diese Spaltungen noch weiter. Netanyahu und seine Verbündeten wälzten jegliche Verantwortung von sich ab und nutzten die Ereignisse des 7. Oktobers und den darauffolgenden gescheiterten Krieg als Gelegenheit, ihre politischen Gegner auszuschalten.

Wieder wandten sie sich dem Justizsystem zu und begannen, das System umzustrukturieren, um Israels politische Ordnung grundlegend zu verändern, wie sie es sich die westlichen Zionisten vorgestellt hatten.

Obwohl die Ashkenazim einen Großteil ihrer politischen Macht verlieren, behalten sie immer noch den Großteil der wirtschaftlichen Hebel. Dies könnte zu zerstörerischen Streiks und Bewegungen des zivilen Ungehorsams führen.

Für Netanyahu und seine Verbündeten ist ein Kompromiss unmöglich; denn dies würde lediglich eine Rückkehr zum Ausgleichsprozess bedeuten, der Anfang der 1980er Jahre begann. Für die Ashkenazi-Machtbasis hingegen würde das Nachgeben das Ende Israels unter David Ben-Gurion, Chaim Weizmann und anderen Gründungsfiguren – mit anderen Worten, das Ende des Zionismus – bedeuten.

Angesichts der Aussichtslosigkeit eines Kompromisses wird der Bürgerkrieg in Israel nun zu einer realen Möglichkeit und könnte vielleicht bald eintreten.

Quelle: https://www.counterpunch.org/2025/04/03/civil-war-on-the-horizon-the-ashkenazi-sephardic-conflict-and-israels-future/