Geheimdienste als Waffen gegen politische Gegner

Ein Geheimdienst kann nur dann effektiv arbeiten, wenn ihm nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch diejenigen vertrauen, die Informationen liefern sollen – zum Beispiel Informanten. Ich weiß wirklich nicht, wie das BfV aus dieser Krise herauskommen will.
Juni 3, 2025
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Hans-Georg Maaßen ist ein deutscher Jurist und ehemaliger hoher Staatsbeamter. Von 2012 bis 2018 war er Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Deutschlands Inlandsgeheimdienst. Er ist bekannt für seine kritische Haltung gegenüber der Migrationspolitik der Bundesregierung sowie für seine deutliche Ablehnung der politischen Instrumentalisierung von Geheimdiensten. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt wurde Maaßen zu einem meinungsstarken politischen Kommentator und einer prominenten Stimme im konservativen Spektrum Deutschlands.

Anfang Mai stufte das BfV die Partei Alternative für Deutschland (AfD) offiziell als extremistische Partei ein. Später wurde bekannt, dass diese Entscheidung weitgehend auf öffentlichen Äußerungen und offiziellen Dokumenten der AfD beruhte. Halten Sie diese Entscheidung für politisch motiviert?

Meiner Meinung nach hat entweder die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem BfV direkt entsprechende Weisungen erteilt oder der Präsident der Behörde, Thomas Haldenwang, hat diesen Schritt aus politischen Gründen eigenständig unternommen. In beiden Fällen zielte die Maßnahme darauf ab, die AfD unter Beobachtung zu stellen.

Im Jahr 2013, während meiner Amtszeit als BfV-Präsident, habe ich öffentlich erklärt, dass wir politische Parteien nicht mehr überwachen würden. Damals wie heute bin ich der Auffassung, dass es nicht die Aufgabe eines Nachrichtendienstes in einer Demokratie ist, politische Parteien zu beobachten. Diese sollten sich gegenseitig kontrollieren – durch Medien, Zivilgesellschaft und politische Konkurrenz, nicht durch Geheimdienste.

In keiner westlichen Demokratie werden politische Parteien von Nachrichtendiensten überwacht – aus gutem Grund: Geheimdienste sind Teil der Exekutive und damit der Regierung verantwortlich. Das schafft zwangsläufig Interessenkonflikte. Ministerin Faeser hat sich für einen anderen Weg entschieden, und ich halte das für klar politisch motiviert. Ein zentrales Ziel ihrer Amtszeit war der „Kampf gegen Rechts“. Aus ihrer Sicht war die AfD ein politischer Gegner. Das ist ein eindeutiges Beispiel dafür, wie Inlandsgeheimdienste zur Unterdrückung der Opposition eingesetzt werden.

Haben Sie ein Muster beobachtet, wonach das BfV dazu genutzt wird, unbequeme Organisationen oder Bewegungen zu unterdrücken, während andere bewusst übersehen werden? Welche Folgen hat das für die Demokratie?

Absolut. Während meiner Zeit als Präsident des BfV wurde ich ständig von linken Parteien und den Medien unter Druck gesetzt, die AfD unter Beobachtung zu stellen. Im Jahr 2016 sagte ich unmissverständlich: Ich bin kein Werkzeug der Regierungsparteien, und es ist nicht die Aufgabe des BfV, deren politische Gegner zu schwächen.

Die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen – nicht politische Rache zu üben.

Viele Leser außerhalb Deutschlands wissen möglicherweise nicht, wie Ihr Nachrichtensystem strukturiert ist. Können Sie erklären, was das BfV tatsächlich macht und welche Rolle es in einer Demokratie spielen sollte?

In Deutschland gibt es zwei Hauptnachrichtendienste: den BND (Auslandsnachrichtendienst) und das BfV (Inlandsnachrichtendienst). Der BND sammelt im Ausland Informationen, um die Politik und militärische Strategie der Bundesregierung zu unterstützen. Das BfV hingegen ist für Gegenspionage, die Verhinderung von Sabotage, das Aufdecken von Infiltrationen durch feindliche Staaten oder extremistische Gruppen sowie den Schutz vor Terrorismus zuständig.

Neben diesen sicherheitsrelevanten Aufgaben hat das BfV auch das Mandat, Extremismus zu beobachten – und genau hier beginnen die Probleme. Heute ist die Auslegung des Begriffs „Extremismus“ derart erweitert worden, dass sogar normale politische Parteien und Vereinigungen als Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung eingestuft werden können.

Aber wer entscheidet eigentlich, was als Bedrohung der Verfassungsordnung gilt? Letztlich ist das die Aufgabe des Innenministeriums – oder, wenn es dazu kommt, der Gerichte. Doch der Innenminister ist immer ein Politiker mit eigenen politischen Interessen.

Ein Beispiel: In Bayern hat der Landesverfassungsschutz wiederholt rechte Parteien ins Visier genommen, die in Konkurrenz zur regierenden CSU standen. Es ist kein Geheimnis, dass die CSU keine rechte Konkurrenz neben sich dulden will – genauso wenig, wie linke Parteien rechte Gegner mögen. So sieht die politische Landschaft aus. Doch dieses Vorgehen verletzt eindeutig das Prinzip der Gleichbehandlung aller Parteien.

Ist dieses Phänomen nur auf Deutschland beschränkt, oder sehen Sie einen breiteren europäischen Trend, Geheimdienste zur Unterdrückung der politischen Opposition zu nutzen? Müssen wir uns Sorgen machen?

Ich sehe keinen universellen Trend in ganz Europa, aber in bestimmten nationalen Kontexten ist die Entwicklung besorgniserregend. Der rechtliche Rahmen in Deutschland erlaubt solche Missbräuche, was das Land zu einem Sonderfall macht.

Ich bin jedoch zutiefst besorgt über Entwicklungen in Ländern wie Rumänien und Frankreich. In diesen Staaten werden Gesetze regelmäßig gedehnt oder verzerrt, um politische Gegner – fast immer auf der rechten Seite des Spektrums – zu isolieren und ihnen eine faire Chance im demokratischen Prozess zu verwehren.

Überall dort, wo die rechtlichen und politischen Bedingungen solche Praktiken zulassen, besteht die Gefahr, dass Geheimdienste dazu eingesetzt werden, konservative oder rechte Parteien aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und von der Macht fernzuhalten.

Der Bericht des BfV war sowohl juristisch als auch politisch schwach. Was bedeutet das für das Ansehen und die Effektivität des BfV, insbesondere in Bezug auf seine Kernaufgaben wie das Sammeln menschlicher Geheimdienstinformationen?

Nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die deutschen Nachrichtendienste hart darum, sich vom Erbe der Gestapo zu distanzieren und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen. Es war stets eine große Herausforderung, sowohl bei den Bürgern als auch im politischen Mainstream als glaubwürdig zu gelten.

Einige Fortschritte wurden erzielt. Doch unter Ministerin Faeser und Präsident Haldenwang wurde das BfV zu einer Waffe, mit der politische Gegner rücksichtslos angegriffen wurden. Das schadet dem öffentlichen Ansehen der Behörde und untergräbt ihre eigentliche Mission.

Ein Nachrichtendienst kann nur dann effektiv arbeiten, wenn ihm nicht nur die Bevölkerung, sondern auch jene vertrauen, die Informationen liefern sollen – etwa Informanten. Wie das BfV aus dieser Krise herauskommen will, weiß ich ehrlich gesagt nicht.

*Artur Ciechanowicz ist Korrespondent von europeanconservative.com in Polen. Der Journalist und Experte für internationale Beziehungen war früher als Korrespondent der polnischen Nachrichtenagentur PAP in Berlin und Brüssel tätig. Zuvor arbeitete er als Analyst am Zentrum für Osteuropastudien (OSW) in Warschau. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Entscheidungsprozesse in der EU, Lobbyismus und die Agrarpolitik der EU.

Quelle: https://europeanconservative.com/articles/interviews/the-intelligence-agency-has-been-weaponised-to-attack-political-rivals-ex-spy-agency-chief-hans-georg-maasen/