Neo-Osmanische Macht
FRAGEN DES NAHEN OSTENS: Während die Türkei ihre Macht und ihren Einfluss ausbaut, setzt sie ihre Opposition gegen Israel und ihre Provokationen unvermindert fort.
Die letzten Wochen verliefen für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan äußerst erfolgreich. Alle aktuellen Anzeichen deuten darauf hin, dass der türkische Staatschef bedeutende Fortschritte in seinen Bemühungen gemacht hat, die Türkei ins Zentrum strategischer Fragen im Nahen Osten zu rücken. Mit dem wachsenden Einfluss der Türkei nehmen auch die Konfrontationen und Provokationen gegenüber Israel weiter zu.
Ein Blick auf die Entwicklungen zeigt: In dieser Woche empfing Erdoğan den amtierenden Übergangspräsidenten Syriens, Ahmed al-Sharaa, im Dolmabahçe-Palast in Istanbul. Es war Sharaas dritter Besuch in der Türkei seit seinem Amtsantritt in Syrien. Der syrische Staatschef bedankte sich bei Erdoğan für die „entscheidende Unterstützung“ Ankaras bei der Aufhebung internationaler Sanktionen gegen sein Land.
Die Entscheidung der USA und Europas, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, öffnet al-Sharaa den Zugang zu dringend benötigten Finanzmitteln für den Wiederaufbau seines Landes – und möglicherweise auch zur Festigung seiner Macht.
US-Präsident Donald Trump erkannte die Rolle des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bei dieser Entscheidung an. Doch Erdoğan hatte in den vergangenen Wochen mit Nachdruck für die Aufhebung der wirtschaftlichen Beschränkungen gegenüber Syrien plädiert. Berichten zufolge brachte er das Thema auch bei Gesprächen mit dem US-Präsidenten zur Sprache, mit dem er nach eigenen Worten „hervorragende Beziehungen“ pflegt.
Der neue syrische Staatschef ist bemüht, seine guten Beziehungen zu Riad aufrechtzuerhalten und den Eindruck zu vermeiden, seine Regierung sei vollständig dem sunnitisch-islamistischen Lager von Türkei und Katar zu verdanken. Dennoch wäre es eine Untertreibung, die zentrale Rolle der Türkei in den jüngsten Entwicklungen in Syrien kleinzureden.
Am wichtigsten ist dabei, dass es die Türkei war, die sich bewusst dafür entschieden hat, den sunnitisch-islamistischen Aufstand in Syrien nie vollständig aufzugeben – und damit letztlich die Grundlage schuf, auf der Sharaa heute wieder Macht aufbauen kann.
In diesem Zusammenhang lohnt es sich, daran zu erinnern, dass noch vor einem Jahr ein breiter regionaler und internationaler Konsens darüber bestand, dass der syrische Bürgerkrieg faktisch beendet und Assad als Sieger hervorgegangen sei. Erdoğans Entscheidung, sich diesem Konsens zu entziehen, verschaffte ihm eine Schlüsselrolle bei der Neugestaltung Syriens.