Die Rolle Irans in der US-Strategie zur Eindämmung Chinas

Eine Annäherung zwischen den USA und Iran könnte Irans Abhängigkeit von China verringern, indem sie die Beziehungen Teherans zum Westen ausbalanciert. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass Iran seine Partnerschaft mit China als „ausgleichenden Akteur“ weiterführen wird. Mit einer Einigung und einer schrittweisen Wiedereingliederung Irans in das internationale Finanzsystem könnten chinesische Unternehmen verstärkt in Iran investieren und Handel treiben. Darüber hinaus würden sich Hindernisse für Infrastruktur- und Logistikprojekte Chinas im Rahmen der „Belt and Road Initiative“ in Iran verringern.
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Die am Freitag, dem 23. Mai, in Rom abgeschlossene fünfte Runde der US-iranischen Nuklearverhandlungen brachte zwar die bilateralen Beziehungen zwischen Iran und China nicht direkt auf die Agenda, doch deren endgültiger Verlauf ist für Peking von großem Interesse. Ein mögliches Abkommen über das iranische Atomprogramm – ebenso wie potenzielle diplomatische Spannungen – würde nicht nur die regionalen Sicherheitsdynamiken beeinflussen, sondern auch Chinas Energiesicherheit, wirtschaftliche Interessen und seinen strategischen Einfluss im Nahen Osten maßgeblich betreffen.

In diesem Zusammenhang tritt der Iran als ein strategischer Akteur hervor, der sowohl direkte als auch indirekte Linien der Rivalität zwischen den USA und China kreuzt. Genauer gesagt: Die US-amerikanische Strategie, China auf globaler Ebene einzuhegen und einzudämmen, stützt sich nicht nur auf militärische Kooperationen mit Verbündeten im Pazifikraum, sondern auch auf regionale Druckmittel, die Chinas Zugang zu Energiequellen und Handelsrouten erschweren sollen. In diesem Rahmen rückt Iran ins Blickfeld der USA – als einer der wichtigsten Energieversorger Chinas im Nahen Osten und als ein zentrales logistisches Drehkreuz für die Landverbindungen der chinesischen „Belt and Road Initiative“.

Umgekehrt argumentieren chinesische Experten und ehemalige Diplomaten, dass die anhaltenden Krisen im Nahen Osten – insbesondere die Spannungen zwischen den USA und Iran – Washingtons Fähigkeit schwächen, dem indo-pazifischen Raum strategische Priorität einzuräumen. Ihrer Auffassung nach begrenzt eine verstärkte militärische und diplomatische Präsenz der USA im Nahen Osten deren globale Fähigkeit, Druck auf China auszuüben, und verschiebt das Gleichgewicht zugunsten Pekings. Vor allem Irans destabilisierende Aktivitäten in der Region zwingen die USA zu größerem Engagement in diesem Raum und erschweren es somit, Ressourcen und Aufmerksamkeit auf den strategisch priorisierten Indo-Pazifik zu konzentrieren.

Diese Analyse zielt darauf ab, die geopolitische und strategische Rolle Irans innerhalb der US-amerikanischen Eindämmungsstrategie gegenüber China zu untersuchen. Zugleich wird diskutiert, welche Auswirkungen eine potenzielle Einigung zwischen Washington und Teheran auf Peking haben könnte. Die sich in den vergangenen Jahren vertiefende strategische Partnerschaft zwischen Iran und China geht dabei über eine bloße bilaterale Interessensannäherung hinaus: Sie gewinnt auch im Kontext der indirekten Herausforderungen an die globale Hegemonie der USA an Bedeutung. Irans „Look East“-Politik und Chinas „March West“-Strategie führen zu neuen Allianzformen im internationalen System – mit dem Ergebnis, dass Peking Teheran zunehmend als potenziellen Partner im strategischen Wettbewerb mit den USA betrachtet.

Der Aufstieg der strategischen Partnerschaft zwischen China und Iran

Die tektonischen Verschiebungen im internationalen System der letzten zwanzig Jahre haben vor allem zur Neugestaltung der Einflusssphären der Großmächte geführt. In diesem Prozess fällt die wachsende Rolle mittelgroßer Akteure sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene zunehmend ins Gewicht. In diesem Kontext stellt die sich entwickelnde strategische Partnerschaft zwischen China und Iran ein besonders aufschlussreiches Beispiel dar.

Das im Jahr 2021 unterzeichnete 25-jährige umfassende Kooperationsabkommen symbolisiert nicht nur die Vertiefung der bilateralen Beziehungen, sondern steht zugleich für Chinas Bemühungen zur Sicherung seiner Energieversorgung sowie Irans Suche nach einem Ausweg aus der internationalen Isolation. Teherans „Look East“-Politik hat vor allem durch das tiefe Misstrauen gegenüber dem Westen und den anhaltenden Sanktionsdruck weiter an Dynamik gewonnen. Zwar führte das 2015 unterzeichnete Nuklearabkommen (JCPOA) kurzfristig zu einer diplomatischen Öffnung, doch der einseitige Ausstieg der Trump-Regierung im Jahr 2018 drängte Iran erneut zu alternativen strategischen Orientierungen. Die Vertiefung der Beziehungen zu China im Rahmen dieser Ostorientierung ist daher nicht nur als wirtschaftliche, sondern auch als geopolitische Entscheidung zu verstehen.

Aus chinesischer Perspektive spielt Iran eine Schlüsselrolle für die Energiesicherheit Pekings. Der Persische Golf deckt mehr als die Hälfte von Chinas Energiebedarf, und Iran besitzt in dieser Region eine bedeutende Kontrolle über die Straße von Hormus – einen strategischen Engpass, der den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und dem Arabischen Meer verbindet. Eine Partnerschaft mit Iran sichert daher nicht nur Chinas freie Schifffahrt in dieser Region, sondern unterstützt auch Pekings Strategie zur Diversifizierung seiner Energiequellen. Vor dem Hintergrund eskalierender Handelskonflikte mit den USA und der Möglichkeit, dass Washington Verbündete wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien dazu drängen könnte, ihre Öllieferungen an China einzuschränken, gewinnt Iran als einziger Akteur im Nahen Osten, der bereitwillig Öl an China verkauft, strategisch an Bedeutung.

Doch Irans Relevanz für China beschränkt sich nicht auf Energiefragen. Innerhalb der chinesischen Strategie gilt Iran als verlässlicher Partner zur Verfolgung strategischer Ziele in der Region des Persischen Golfs und darüber hinaus. Chinas „March West“-Initiative unterstreicht das Ziel, nicht nur im bevorzugten Indo-Pazifik-Raum, sondern auch in weiter entfernten Regionen eine Gegenmacht zu den USA aufzubauen. Die vielschichtige strategische Partnerschaft zwischen Teheran und Peking dient damit indirekt dazu, die militärische Präsenz und Projektion der USA im Persischen Golf, im Arabischen Golf und sogar im Indischen Ozean einzudämmen.

In chinesischen sicherheitspolitischen Analysen gilt, dass Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien und Kuwait faktisch unter US-Einfluss stehen. Im Gegensatz dazu bleiben Iran und seine verbündeten Akteure – einschließlich ihrer Stellvertreterkräfte (Proxies) – außerhalb dieses Rahmens. Vor diesem Hintergrund wird Iran von China als ein möglicher Faktor zur Begrenzung des amerikanischen Einflusses in der Region betrachtet.

Einige Analysen legen nahe, dass China bestrebt ist, in der Region eine Art ausgleichende Ordnung zu etablieren, in der Iran eine zentrale Rolle spielen könnte. Gleichzeitig zeigt sich Peking jedoch zurückhaltend gegenüber der Vorstellung, dass Iran eine hegemoniale Position in der Region erlangen könnte.

Irans geostrategische Lage ist ein zentraler Faktor für Chinas Bestreben, die Zusammenarbeit mit Teheran zu vertiefen. Das Land befindet sich im Herzen des China-Zentralasien-Westasien-Korridors, der im Rahmen der chinesischen „Belt and Road Initiative“ (BRI) verläuft, und grenzt an Pakistan – was Iran theoretisch die Fähigkeit verleiht, sich mit dem China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) zu verbinden, einer der fortschrittlichsten Komponenten der BRI. Vor dem Hintergrund der als „allwettertauglich“ beschriebenen strategischen Partnerschaft zwischen China und Pakistan hätte eine Integration Irans in diese Struktur für Peking erhebliche strategische Bedeutung.

Das 2021 zwischen Iran und China unterzeichnete umfassende strategische Partnerschaftsabkommen hat Iran das Potenzial verliehen, als Verbindungspunkt für die Energieübertragung nach China über pakistanisches Territorium zu dienen – und damit Irans geopolitischen Stellenwert zusätzlich erhöht. Obwohl bislang noch nicht umgesetzt, könnte das geplante Pipelineprojekt, das vom Hafen Gwadar aus über Iran bis ins chinesische Kaschgar führen soll, China eine sichere und großvolumige Route für den Transport von Erdöl und Erdgas eröffnen. Doch die Realisierung wird durch eine Vielzahl von Faktoren erschwert – darunter hochgelegene, schwer zugängliche Gebirgspassagen sowie die anhaltenden Grenzkonflikte zwischen Indien und Pakistan.

US-Strategien gegenüber China durch die Linse Irans

In der aktuellen Lage verfügen die Vereinigten Staaten über eine größere Kontrolle über die globalen Öl- und Gasmärkte als jeder andere Akteur. Allerdings wird erwartet, dass diese Dominanz – nicht zuletzt aufgrund sinkender Effizienz der Fracking-Technologie – in den kommenden fünf bis zehn Jahren allmählich abnehmen wird. Diese strukturelle Verwundbarkeit macht die langfristige Aufrechterhaltung der energiebezogenen geopolitischen Überlegenheit der USA zunehmend fraglich. Entsprechend verlagert Washington den Großmachtkonflikt mit China verstärkt auf geopolitisch heikle Schauplätze wie Taiwan – mit einem erhöhten Risiko militärischer Auseinandersetzungen.

In diesem Zusammenhang stellt Chinas starke Abhängigkeit vom Nahen Osten – insbesondere von Iran – im Bereich der Energiesicherheit eine strategische Schwäche dar. Iran gehört nicht nur zu Chinas wichtigsten Rohöl-Lieferanten, sondern verfügt auch über einige der größten unerschlossenen Erdöl- und Erdgasreserven weltweit. Diese Ressourcen machen Iran aus chinesischer Sicht zu einem sicherheitspolitisch unverzichtbaren Partner – während sie gleichzeitig aus Sicht der USA ein geopolitisch und geoökonomisch zentraler Punkt strategischer Interessen sind.

Zweifellos lassen sich regionale Konflikte nicht ausschließlich auf Energiefragen reduzieren. Doch die Tatsache, dass rohstoffreiche Staaten regelmäßig in den außenpolitischen Prioritäten der Großmächte ganz oben stehen, unterstreicht, dass Energieressourcen in der geopolitischen Kalkulation eine kaum zu übersehende Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund sind Irans Energievorkommen längst nicht mehr bloß wirtschaftliche Handelsgüter – sie befinden sich im Zentrum des globalen Machtwettbewerbs.

Nach dem Amtsantritt von Donald Trump veröffentlichte das Weiße Haus am 21. Februar 2025 ein Präsidiales Memorandum zur nationalen Sicherheit, das zum Ziel hatte, Irans Ölexporte – insbesondere die Rohöllieferungen an die Volksrepublik China – vollständig auf null zu reduzieren. In diesem Zusammenhang verhängte die Trump-Regierung eine Reihe gezielter Sanktionen, die sich direkt gegen den iranisch-chinesischen Energiehandel richteten. So wurden unter anderem unabhängige chinesische Raffinerien wie Shandong Shouguang Luqing Petrochemical und Shandong Shengxing Chemical sanktioniert, weil sie für Milliardenbeträge Rohöl aus Iran importiert hatten. Darüber hinaus erfassten die Maßnahmen auch Irans sogenannte „Schattenflotte“: Tanker, Hafeninfrastrukturen sowie die daran beteiligten Unternehmen und Einzelpersonen wurden auf die Sanktionslisten gesetzt.

Allerdings offenbart sich ein strategisches Dilemma in den US-Bemühungen, Iran vom globalen Energiemarkt zu isolieren. Die Sanktionen, die Chinas Energiekosten erhöhen sollten, wurden teilweise durch Russlands aggressive Ölexportpolitik – als Reaktion auf westliche Sanktionen im Zuge des Ukrainekriegs – neutralisiert. Dies verdeutlicht die multipolare Struktur des globalen Energieangebots und die Grenzen einseitiger US-Sanktionsmaßnahmen. China umgeht diese Restriktionen durch Diversifizierung seiner Energieimporte (z. B. aus Russland, Saudi-Arabien und Venezuela) sowie durch alternative Zahlungssysteme außerhalb westlicher Finanzarchitektur. Die zunehmende Einbindung Irans in Plattformen wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) stärkt zudem Chinas Einfluss in Teheran – ein struktureller Faktor, der Washingtons Strategie der indirekten Druckausübung auf China über Iran untergräbt.

Doç. Dr. İsmail Sarı

Dozent Dr. İsmail Sarı absolvierte 2001 das Fachbereich Geschichte an der Universität Istanbul und erwarb anschließend einen Masterabschluss in Geschichte und internationalen Beziehungen von derselben Universität. Mit seiner Doktorarbeit, die er 2016 abschloss, erhielt Dozent Dr. Sarı den Preis für die beste Doktorarbeit im Bereich Internationale Beziehungen. Zwischen 2018 und 2019 war er als Postdoktorand mit einem TÜBİTAK-Stipendium an der Columbia University tätig. Während seiner Forschungsarbeiten in den Vereinigten Staaten war er außerdem als Gastdozent an der Missouri State University tätig. In seinen Arbeiten konzentriert sich Dozent Dr. Sarı auf die Außenpolitik Irans, die Außenpolitik der USA, den modernen Sekularisierungsprozess der schiitischen Welt, die intellektuellen Ursprünge der Opposition gegen das Regime im Iran sowie auf die aktuelle Politik Irans und der USA. Er spricht fließend Englisch und Persisch. Derzeit setzt Dozent Dr. Sarı seine Arbeit als Hochschuldozent an der Universität Ankara Hacı Bayram Veli fort.

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