Die Politik der „Ägyptisierung“ Syriens: Golfkapital, Öffnung zum Westen und neue geopolitische Konstellationen
Im Rahmen des Golfbesuchs von Donald Trump rückte das Treffen mit dem syrischen Staatspräsidenten Ahmed Schara sowie die anschließende Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien als eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit. Syrien, das über viele Jahre hinweg mit Begriffen wie „Schurkenstaat“ oder „Achse des Bösen“ assoziiert wurde und sowohl direkten militärischen Drohungen als auch wirtschaftlichen Sanktionen der USA ausgesetzt war, erfährt durch dieses Treffen eine voraussichtlich tiefgreifende Imageveränderung im westlichen öffentlichen Diskurs.
Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, die möglichen Auswirkungen des Treffens zwischen Trump und Schara sowie die sich daran anschließenden politischen Kursänderungen auf die Zukunft Syriens zu analysieren. Die zentrale These lautet, dass Syrien in seinen Beziehungen zum Westen einen Weg einschlagen könnte, der dem Ägyptens in der Nach-Nasser-Ära ähnelt. Insbesondere wird die Annahme vertreten, dass eine syrische Variante der ägyptischen „Infitah“-Politik der 1970er-Jahre – einer wirtschaftlichen Öffnung und Liberalisierung – als Vorbild für den aktuellen Wandel dient.
Wie Ägypten sich durch die Infitah-Politik wirtschaftlich aus der Abhängigkeit von der Sowjetunion löste und sich zunehmend dem Westen annäherte, so steht auch Syrien heute möglicherweise vor einem vergleichbaren Transformationsprozess, durch den es in das westliche Lager überführt werden soll. Ägyptens wirtschaftlicher Öffnungskurs mündete letztlich im Camp-David-Abkommen. Analog dazu wird heute versucht, das wirtschaftlich angeschlagene Syrien durch die Unterstützung der Golfstaaten in eine israel-zentrierte regionale Sicherheitsarchitektur zu integrieren.
Von der Infitah bis Camp David: Ägyptens Integration in das westliche Bündnis
Die nach dem Ersten Weltkrieg unter der Führung der USA und mit Israel als Zentrum gestaltete Sicherheitsarchitektur des Nahen Ostens definierte jene Akteure, die das von Westen bestimmte regionale Status quo infrage stellten, zumeist als „radikale arabische Regime“. Viele dieser Regime suchten während des Kalten Krieges die Nähe zur Sowjetunion, um ein Gegengewicht zur westlich geprägten Sicherheitsordnung in der Region zu bilden. Eines der zentralen Ziele der US-amerikanischen Nahostpolitik bestand jedoch stets darin, diese radikalen Regime in die israelisch-zentrierte Sicherheitsstruktur zu integrieren. In diesem Zusammenhang markiert das Camp-David-Abkommen von 1979 zwischen dem ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat und Israel einen Wendepunkt.
Das als „Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel“ bekannte Camp-David-Abkommen war nicht nur eine diplomatische Einigung, sondern stellte zugleich den Beginn eines Prozesses dar, in dem Ägypten – einer der Schlüsselakteure der Region – in den westlichen Machtblock integriert, ja gewissermaßen vom Westen „übernommen“ wurde. Als ein Land, das jahrzehntelang Kriege gegen Israel geführt und trotz erheblicher Verluste seine Widerstandshaltung aufrechterhalten hatte, trat Ägypten mit Camp David freiwillig von dieser Position zurück. Im Hintergrund dieses Wandels spielte die unter Sadat eingeleitete „Infitah“-Politik – also die Öffnung der Wirtschaft – eine zentrale Rolle. Ziel dieser Politik war es, Ägypten wirtschaftlich zu liberalisieren und in westliche Märkte zu integrieren, doch führte sie langfristig zu einer doppelten Umklammerung des Landes: Auf der einen Seite stand der sicherheitspolitisch und diplomatisch dominierende Block aus den USA und Israel, auf der anderen Seite die Golfstaaten, die durch ihre Ölgelder wachsende wirtschaftliche und politische Einflusszonen aufbauten.
So wurde Ägypten zu einem fragilen Akteur, der sich sowohl nach den strategischen Interessen des Westens als auch den regionalen Machtkonstellationen richten musste. Die direkte militärische Konfrontation mit Israel in den Jahren 1948, 1956, 1967 und zuletzt 1973 hatte das Land zwar schwer erschöpft, aber nicht zur politischen Kapitulation geführt. Doch die Anfang der 1970er-Jahre eingeleitete Infitah-Politik war der Beginn eines tiefgreifenden Wandels, der unter dem Deckmantel wirtschaftlicher Liberalisierung Ägyptens geopolitische Ausrichtung dauerhaft veränderte.
Dieser Prozess bedeutete nicht nur eine ökonomische Öffnung, sondern auch eine fundamentale Neuausrichtung der ägyptischen Außenpolitik. Letztlich wurde Ägypten politisch und wirtschaftlich Schritt für Schritt vom Bündnis USA–Israel sowie den wirtschaftlich aufstrebenden Golfstaaten vereinnahmt. Die Hauptmotivation Sadats, sich für die Infitah zu entscheiden, war es, die verheerenden Auswirkungen der jahrzehntelangen arabisch-israelischen Kriege durch eine politische Strategie zu überwinden und Ägypten als stabilen und investitionsfreundlichen Akteur auf der internationalen Bühne neu zu positionieren. Doch hinter der Fassade einer wirtschaftlichen Öffnung verbarg sich eine strukturelle Transformation, die Ägypten in das westliche Lager überführte.
Im Verlauf der Infitah zog sich Ägypten schrittweise aus seiner antiwestlichen und antiisraelischen Haltung zurück und passte sich der israelisch-zentrierten regionalen Sicherheitsordnung an. Die Rolle des Golfkapitals war dabei entscheidend. Die konservativen Golfstaaten, die während des sogenannten „arabischen Kalten Krieges“ in einem ideologischen und politischen Konflikt mit dem revisionistischen Ägypten standen, nutzten die durch die Kriege geschwächte Lage Kairos, um das Land unter dem Vorwand wirtschaftlicher Liberalisierung und in Zusammenarbeit mit dem Westen unter Kontrolle zu bringen. Am Ende dieser Entwicklung war Ägypten nicht nur für die USA und Israel keine Bedrohung mehr, sondern stellte auch für die Golfstaaten keinen ideologischen oder militärischen Gegner mehr dar.