Erinnern Sie sich an eine Frauenbewegung, Vereinigung oder Proteste, die sich für die in die Türkei geflüchteten syrischen Frauen und Mädchen eingesetzt haben, sie geschützt und verteidigt haben? Oder haben Sie ein paar Worte von prominenten Frauen gehört? Es hätte ein riesiger Aufruhr geben müssen, aber es gab keinen. Es gab nur eine Erklärung dafür: denn diese Frauen waren nicht “sekulär” genug.
“Wenn das, was toleriert wird, das Böse ist, ist Toleranz ein Verbrechen.“
– Thomas Mann
Die Welt verfolgt jetzt entsetzt die Folter, die im „Menschen-Schlachthof“ Saydnaya-Gefängnis in Syrien stattfindet, sowie die entdeckten Massengräber. Wir sprechen von einem schrecklichen Gefängnis, in dem zehntausende Menschen systematisch gehängt wurden und das der menschliche Verstand nie im Leben erahnen konnte. Und wir werden noch lange darüber sprechen. Tatsächlich war ganz Syrien schon seit Jahren ein menschlicher Schlachthof. Das Baath-Regime – eine Gruppe von Minderheiten, die an der Macht sind – verübte während seiner Herrschaft ungeheure Folter, Gewalt und, um es richtig zu sagen, ethnisch-konfessionelle Säuberungen gegen das syrische Volk. Und das wusste jeder!
Auch die, die die Opfer eines Krieges seit 2011 ignorierten, wussten es. Diejenigen, die sowohl die Opfer als auch die Kämpfer und Flüchtlinge bei jeder Gelegenheit herabsetzten und zu unterdrücken versuchten, wussten es ebenfalls sehr gut. Und die, die es am besten wussten, waren diejenigen, die mit tiefem „Islam“-Hass bis ins Mark lebten. Sie alle waren Teil des Bösen. Und wahrscheinlich wird sich in ihrem Leben nicht viel ändern und sie werden weiterhin mit diesem verrotteten, gewöhnlichen Bösen leben.
Wenn jemand sagt, er wüsste es nicht, erinnert euch an Platons Definition des Bösen. Platon betrachtete das Böse als Mangel an Tugend und Wissen. Für ihn war das Böse eine Art Unwissenheit über die Realität, die Tugend und das Gute.
In einem der Gefängnisse fand man eine Körperpresse, die an die Folterinstrumente des Mittelalters und die Inquisition erinnerte, um Knochen zu brechen. Dies war nur eines der Folterinstrumente.
Es waren Menschen, die vor diesem Grauen und dieser Unterdrückung flohen – die Flüchtlinge. Und die große Mehrheit der Flüchtlinge waren Frauen und Kinder. Die größte Angst der Frauen waren die Folterer und Vergewaltiger. Deshalb versuchten sie, ihr Leben, ihre Ehre und ihre Hoffnung zu bewahren, während sie versuchten, in fremde Länder zu fliehen. Die Orte, an die sie gingen, waren leider nicht für alle sicher. Einige von ihnen wurden von Schwierigkeiten und Schikanen empfangen. Diejenigen, die nicht im Meer ertranken, wurden erneut mit Rassismus und Gewalt konfrontiert. Sie gaben alles, um zu überleben, und die schwerste Prüfung war, mit Würde zu überstehen. Diese Prüfung ist noch nicht vorbei.
Türkei war eines der ersten Länder, das die syrischen Migranten aufnahm. Die große Mehrheit der Migranten waren Frauen und Kinder. Wären sie in Syrien geblieben, wären die meisten von ihnen heute nicht mehr am Leben. Oder sie wären ohne Anklage in einem dieser schrecklichen menschlichen Schlachthöfe der Folter ausgesetzt gewesen. Laut den dokumentierten Daten des Syrian Network for Human Rights (SNHR) gab es Tausende von Vergewaltigungsfällen gegen erwachsene Frauen und Mädchen unter 18 Jahren in den Haftzentren der Regimekräfte. Das sind nur die registrierten Daten! In Wirklichkeit ist bekannt, dass die tatsächliche Zahl der festgenommenen und vergewaltigten Frauen und Mädchen weit über diesen Zahlen liegt.
Erinnert ihr euch an eine Frauenbewegung, einen Verein oder Proteste, die sich für die in die Türkei geflüchteten syrischen Frauen und Mädchen eingesetzt haben, sie geschützt und verteidigt haben? Oder habt ihr ein paar Worte von prominente Frauen dazu gehört?
Vielleicht haben einige nur schwache Aussagen gehört, Worte, die im Mund hin und her geworfen wurden, aber niemals klare Sätze… Doch es gab weder eine wirkliche Protestbewegung, noch eine Aktion, noch Schreie auf den Straßen…
Vor zwei Jahren, als die 22-jährige Mahsa Amini im Iran bei ihrer Festnahme starb, gab es auch in der Türkei Proteste. Frauen zeigten ihre Reaktionen auf vielen Plattformen, einschließlich sozialer Medien. Der Tod einer jungen Frau hatte uns alle natürlich traurig gemacht. Aber was seltsam ist, ist, dass die gleiche Sensibilität niemals den syrischen Frauen, die ermordet, vertrieben, belästigt und vergewaltigt wurden, entgegengebracht wurde… Ebenso wenig wie den palästinensischen Frauen und Kindern.
Erinnert euch nur an zwei Frauenmorde! Die syrische Frau Emani el Rahmun, die ihr Leben retten konnte und sich im Bezirk Kaynarca in Sakarya niederließ, wurde vergewaltigt und mit ihrem 10 Monate alten Baby ermordet. In Menemen, einem Bezirk von Izmir, wurde auch die 30-jährige schwangere Frau Manar mit ihrem 5-jährigen Kind ermordet.
Die Welt musste zusammenbrechen, aber sie tat es nicht. In der Türkei hatten es Feministinnen und die zahlreichen „berühmten“ Frauen, die ihnen folgten, geschafft, diese Frauen einfach zu ignorieren. Es gab nur eine Erklärung dafür: Diese Frauen waren nicht „sekulär“ genug.
„Das Hauptziel des Feminismus ist die Frau“ und der Kampf für Frauenrechte bedeutet im Wesentlichen, für Menschenrechte zu kämpfen und sich für die Menschlichkeit einzusetzen. Doch in der Türkei ist Feminismus – abgesehen von einer kleinen Ausnahme – in Wirklichkeit eine politische, ideologische und heuchlerische Bewegung, die sich als Verteidigung von Frauenrechten tarnt.
Die Feministinnen in der Türkei erinnern mich immer an das berühmte Bild „Die Parabel der Blinden“ oder „Der Marsch der Blinden“ aus der Renaissance, gemalt von dem flämischen Künstler Brueghel. In diesem Bild interpretiert Brueghel die Worte, die Jesus über die Pharisäer (die fanatischen Juden) sagte. In der Bibel sagt Jesus: „Sie sind blinde Führer, die Blinden führen.“ In Brueghels erfolgreichem Werk sehen wir blinde Bettler, die sich mit ihren Stöcken gegenseitig stützen und mit ihrem Führer gemeinsam in ein Loch gehen.
Obwohl es nicht physisch ist, sehen und erkennen die meisten von uns das Loch, in das jeder fällt, der unter „bewusster Blindheit“ leidet… Genau wie wir Zeugen der Tränen von Samira wurden, der Mutter des 13-jährigen Hamza el Hatib, der am 21. Mai 2011 in der Stadt Dera in Syrien gefoltert und verstümmelt ermordet wurde…