Israel-Iran Krieg: Zwei Verlierer, ein Gewinner

Der Israel-Iran Krieg hat die gewohnten Gleichungen im Nahen Osten durcheinandergebracht. Das Interessante an diesem Krieg ist jedoch, dass er nicht dem klassischen Narrativ „ein Sieger, ein Verlierer“ entspricht. Im Gegenteil: Am Ende dieses Krieges wird der Gewinner ein Akteur sein, der nicht direkt in den Krieg involviert ist, aber das Geschehen aufmerksam verfolgt: die Türkei.
Juni 17, 2025
image_print

Der Israel-Iran Krieg hat die gewohnten Gleichungen im Nahen Osten durcheinandergebracht. Das Interessante an diesem Krieg ist jedoch, dass er nicht dem klassischen Narrativ „ein Sieger, ein Verlierer“ entspricht. Im Gegenteil: Am Ende dieses Krieges wird der Gewinner ein Akteur sein, der nicht direkt in den Krieg involviert ist, sondern das Geschehen aufmerksam beobachtet: die Türkei.

Iran hat in seinen militärischen und geheimdienstlichen Gebieten, die bislang als „unantastbar“ galten und vor äußeren Eingriffen geschützt waren, schwere Schläge erlitten. Mit Israels Luftangriffen wurden hochrangige Kommandeure der Revolutionsgarden, und angeblich sogar der Geheimdienstchef in Teheran, außer Gefecht gesetzt; neben physischen Verlusten war dies auch ein symbolischer Schlag.

Eine Operation in diesem Ausmaß zeigt nicht nur Israels militärische Überlegenheit, sondern auch seine Fähigkeit zum Eindringen, taktische Geschicklichkeit und Geheimdienstüberlegenheit. In iranischen Sicherheitskreisen führte dieses Ereignis zu einem Bruch: Die Frage „Wie konnte die Tür unseres Hauses weit offen bleiben?“ ist mittlerweile nicht nur in den Straßen Irans, sondern auch innerhalb des Regimes ein großes Diskussionsthema.

Auf israelischer Seite sind die Dinge hingegen auf dramatische Weise anders. Die seit Jahren als das fortschrittlichste Luftverteidigungssystem der Region beworbene Iron Dome (Eiserne Kuppel) wurde in diesem Krieg sowohl quantitativ als auch qualitativ auf die Probe gestellt. Die von Iran entwickelten Marschflugkörper und Kamikaze-Drohnen durchbrachen die Eiserne Kuppel in diesem Ausmaß zum ersten Mal ernsthaft.

Die Angriffe auf zivile Ziele in Städten wie Tel Aviv, Haifa und Aschkelon bedeuteten eine technologische Schwachstelle und einen psychologischen Zusammenbruch. Diese Situation erschütterte nicht nur das Sicherheitsgefühl der israelischen Gesellschaft, sondern auch Tel Avivs Anspruch, verteidigbar zu sein. Einige israelische Kommentatoren bezeichneten diesen Prozess sogar als „Ende der Legende der Eisernen Kuppel“.

Obwohl ein von Israel gewünschter Regimewechsel in Iran schwer vorstellbar ist, stehen dem Regime zwei Wege offen:

  • Es kann sich für eine repressivere, abgeschottetere Regierung entscheiden, um seine Macht im Inneren zu festigen.

  • Oder Iran könnte einen demokratischeren Kurs einschlagen, in dem der Einfluss der Geistlichkeit reduziert wird.

Iran, das seit Jahrzehnten in der Region durch blutige, sektiererische Stellvertreterorganisationen in Afghanistan, Irak, Syrien, Libanon und Jemen seine persisch-safawidischen Ambitionen verfolgt und dabei muslimische Völker massakriert, befindet sich nicht mehr nur in einer regionalen, sondern in einer existenziellen nationalen Krise – gefangen in einem repressiven, theokratischen Regime und einer korrupten Wirtschaft, die das eigene Volk wie in Gefangenschaft hält.

Israel hingegen wird angesichts des weltweiten negativen Images aufgrund der Gaza-Angriffe und der Sicherheitslücken im Iran-Krieg versuchen, Premierminister Netanyahu zum Sündenbock zu machen und mit westlicher Unterstützung seine Verluste auszugleichen. Doch die durch diesen Krieg entstandenen Sicherheitslücken werden die Region zu einem neuen Gleichgewicht zwingen. Auch die seit Jahren von der „vernünftigen Welt“ favorisierte Zwei-Staaten-Lösung, wenn auch als das kleinere Übel betrachtet, ist nun verloren. Die Region steht nun vor einem Neuanfang ohne Israel. Bis sowohl die USA als auch Europa eine noch reibungslosere Plattform finden, um ihre „FETÖ“ genannten Netzwerke in Staatsverwaltungen, Wirtschaft und Medien zu platzieren – und ihre jüdischen Gemeinschaften mit überzogenen messianischen Ambitionen ansiedeln können –, wird das Israel-Projekt auf Eis liegen. Doch wie die blutigen Rechnungen, die mit Unterstützung der kollaborierenden Wüstenstämme Saudi-Arabien, Jordanien und den VAE vergossen wurden, gemeinsam mit diesen teuflischen Regimen beglichen werden, wird die Zeit zeigen.

In diesem neuen Gleichgewicht rückt die Türkei mit ihrer militärischen Stärke, diplomatischen Flexibilität und strategischen Vorsicht in Krisenzeiten in den Vordergrund. Mit ihrer 500-jährigen Erfahrung in der regionalen Verwaltung ist die Türkei trotz hoher Kosten weiterhin die einzige Option für Frieden, Stabilität und eine gemeinsame Zukunft in der Region. Das türkische Modell bietet nicht nur die Etablierung eines modernen muslimisch-demokratischen Systems, sondern auch eine alternative Vision zur Wiederbelebung des gemeinsamen zivilisatorischen und kulturellen Erbes des mesopotamisch-mittelmeerischen Raums.

Bekir Gündoğdu

Forscher-Autor. Er hat in verschiedenen Positionen in den Bereichen Politik, Zivilgesellschaft und Medien gearbeitet. Derzeit ist er weiterhin als Redakteur im Bereich Neue Medien und Online-Publishing tätig.
E-Mail: [email protected]

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.