Das iranische Regime steht vor dem Zusammenbruch – ein demokratischer Wandel ist keine Frage des Ob, sondern des Wann
Das islamische Regime im Iran steht unter beispiellosem Druck – sowohl von innen als auch von außen. Im Inneren haben wirtschaftlicher Kollaps, weitverbreitete politische Desillusionierung und die massenhafte Ablehnung religiöser Autorität das Regime tief in seiner Legitimität erschüttert. Auf internationaler Ebene schwindet Irans regionaler Einfluss, da seine Stellvertreter-Milizen militärische Niederlagen erleiden und das Land zunehmend diplomatisch isoliert wird. Auch wenn der genaue Zeitpunkt ungewiss ist, macht die Kombination dieser Entwicklungen einen Regimewechsel im Iran immer wahrscheinlicher. Für westliche Entscheidungsträger ist jetzt nicht die Zeit für kurzfristige Krisenbewältigung – es ist an der Zeit, sich auf einen demokratischen Übergang vorzubereiten.
Interne Bruchlinien
Die Ablehnung des Regimes durch das Volk
Sechsundvierzig Jahre nach der Islamischen Revolution hat sich die öffentliche Meinung im Iran drastisch gegen die herrschende Elite gewendet. Eine Umfrage des Instituts GAMAAN (Group for Analyzing and Measuring Attitudes in Iran) aus dem Jahr 2022 ergab, dass fast 90 % der Iraner die Islamische Republik als Regierungsform ablehnen. Zudem befürworten 73 % der Befragten eine Trennung von Religion und Politik – ein direkter Widerspruch zu den theokratischen Grundlagen des Regimes. Die Forderungen nach einer säkularen Demokratie und nach der Achtung der Menschenrechte überschreiten ideologische Grenzen. Der Widerstand kommt aus allen Teilen der Gesellschaft – von Frauenrechtsaktivistinnen, Studierenden, Arbeitern, ethnischen Minderheiten, Monarchisten, säkularen Republikanern bis hin zu traditionellen religiösen Gruppen.
Die Protestbewegung „Frau, Leben, Freiheit“ in den Jahren 2022–2023, ausgelöst durch den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam der Sittenpolizei, zeigte deutlich, dass die Gesellschaft nicht länger bereit ist, Unterdrückung hinzunehmen. Das islamische Regime ist zunehmend unfähig, das gesetzlich vorgeschriebene Kopftuch durchzusetzen – Millionen iranischer Frauen widersetzen sich offen der Vorschrift. Gleichzeitig drängen die Hardliner innerhalb des Regimes auf eine härtere Umsetzung des Gesetzes. Doch das Regime ist gelähmt – weder kann es den Frauen die Freiheit über ihre Kleidung zugestehen, noch zur früheren Repressionspraxis mit Massenverhaftungen zurückkehren. Die Kluft zwischen Staat und Gesellschaft ist unüberbrückbar geworden. Reformen gelten längst nicht mehr als realistische Option. Heute geht die größte Bedrohung für das Überleben des Regimes von den Menschen im Iran selbst aus – mehr noch als von äußeren Akteuren.
Wirtschaftlicher Kollaps und systemische Korruption
Zwar haben internationale Sanktionen ihre Wirkung gezeigt, doch weitaus verheerender wirken sich Misswirtschaft und Korruption im Inland aus. Die Inflation lag 2023 weiterhin über 40 %, die Jugendarbeitslosigkeit überstieg 20 %. Zahlreiche Regionen leiden unter Wasser- und Stromausfällen, was regelmäßig Proteste auslöst. In großen Städten haben Stromausfälle Fabriken lahmgelegt und weitere Arbeitsplatzverluste verursacht (laut Trading Economics, 2023).
Die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) kontrollieren weite Teile der Wirtschaft – darunter Banken, Ölindustrie, Bauwesen und Telekommunikation – und operieren ohne zivile Kontrolle oder rechtliche Verantwortung. Dieses militärisch-ökonomische Monopol hat den Privatsektor ausgehöhlt, Innovationen erstickt und eine mafiöse Regierungsstruktur geschaffen, die mit einer modernen Wirtschaft unvereinbar ist. Die jüngste Explosion im Hafen von Bandar Abbas, die laut Iran International TV durch den Missbrauch ziviler Unternehmen durch die IRGC zum Import von Raketentreibstoff verursacht wurde, forderte über 70 Tote und mehr als 1.200 Verletzte. Diese Katastrophe hat die öffentliche Wut über das nationalfeindliche Verhalten des Regimes weiter angefacht.
Zusammenbruch der Wahllegitimität
Die Wahlbeteiligung ist dramatisch gesunken. Bei der Präsidentschaftswahl 2021 lag die offizielle Beteiligung bei nur 48 % – dem niedrigsten Wert seit 1979. Viele Bürger gaben absichtlich ungültige Stimmen ab, um ihren Protest auszudrücken. Unabhängige Untersuchungen legen nahe, dass die tatsächliche Wahlbeteiligung eher bei 20 % lag. Jahrzehntelange manipulierte Wahlen, bei denen nur regimenahe Kandidaten zugelassen werden, haben das Vertrauen in den Wahlprozess zerstört. Jede neue Wahl verstärkt nur noch die politische Resignation. Zurück bleibt ein Regime ohne glaubwürdiges demokratisches Mandat – und eine Führung, die weder Vertrauen noch Respekt genießt.
Externer Druck und geopolitischer Niedergang
Schwindender Einfluss von Stellvertreter-Netzwerken
Teherans langjährige Strategie, regionalen Einfluss durch Stellvertreter-Milizen auszuüben, befindet sich in einem rapiden Niedergang. In Gaza erlitt die von Iran unterstützte Hamas während und nach dem Konflikt mit Israel im Oktober 2023 schwere militärische Verluste. Die Hisbollah – einst ein zentrales Instrument des iranischen Einflusses im Libanon – ist politisch isoliert und wird zunehmend von der libanesischen Bevölkerung abgelehnt. In Syrien haben Machtverschiebungen und Neuausrichtungen des Assad-Regimes Irans Position geschwächt. Iran-nahe Milizen im Irak wurden aufgelöst oder in die regulären Streitkräfte integriert, und die irakische Regierung steht unter wachsendem Druck, sich von Teheran zu distanzieren.
Im Jemen haben US-amerikanische und britische Luftangriffe die Huthi-Rebellen erheblich geschwächt. Nach einem Raketenangriff der Huthis am 4. Mai, dessen Geschoß Berichten zufolge nur 100 Meter vom größten israelischen Flughafen entfernt einschlug, gibt es Hinweise darauf, dass Israel nun Ziele innerhalb des Iran angreift. Die israelische Regierung erklärte, der Angriff könne nicht von den Huthis allein ausgegangen sein, sondern nur vom iranischen Regime selbst. Dies könnte ein Wendepunkt im regionalen Konflikt sein, der zu einer erheblichen Veränderung des regionalen Machtgefüges führen – und möglicherweise sogar einen Regimewechsel im Jemen einleiten könnte.
Diese Entwicklungen sind keine isolierten Rückschläge, sondern Ausdruck des umfassenden Verlusts iranischer Abschreckungskraft und ideologischer Strahlkraft. Die Quds-Einheit der Revolutionsgarden, einst das Herzstück von Teherans Außenpolitik, verliert zunehmend an Wirkungskraft.
Militärisches Scheitern und strategische Verwundbarkeit
Irans direkte Raketen- und Drohnenangriffe auf Israel im April 2024 wurden größtenteils abgefangen – ein deutliches Zeichen für die erheblichen Grenzen der konventionellen militärischen Fähigkeiten des Landes. Im Gegenzug bombardierte Israel wichtige iranische Militäranlagen, darunter Luftabwehrsysteme, Drohnen-Fabriken und Raketenproduktionsstätten. Diese Angriffe fügten der iranischen Luftverteidigung substanzielle Schäden zu, während alle israelischen Flugzeuge sicher zu ihren Basen zurückkehrten – ein weiteres Indiz für die operative Überlegenheit Israels.
Das Atomprogramm: Vom Druckmittel zur Belastung
Das iranische Atomprogramm, einst ein mächtiges Instrument zur internationalen Verhandlung, entwickelt sich zunehmend zur strategischen Last. Die Urananreicherung hat 60 % Reinheit erreicht – gefährlich nahe an waffenfähigem Material. Dies beunruhigt nicht nur den Westen, sondern auch die Golfstaaten und China. Die Verhandlungen zwischen Washington und Teheran lassen dem Regime mittlerweile nur zwei Optionen: den Verzicht auf sein Atomprogramm oder das Risiko eines militärischen Eingreifens.
Selbst wenn Sanktionen aufgehoben würden, hätte Irans Wirtschaft große Schwierigkeiten, sich zu erholen – nach Jahrzehnten der Korruption und finanziellen Misswirtschaft. Noch gravierender ist jedoch: Die Islamische Republik genießt weder innenpolitisch noch international Glaubwürdigkeit. Sie wird nicht mehr als rationaler oder vertrauenswürdiger Akteur wahrgenommen. Das Atomthema ist zu einem seltenen Punkt internationaler Einigkeit geworden. Es hat Forderungen nach Eindämmung gestärkt und zu erhöhter militärischer Bereitschaft geführt – was Irans Isolation weiter vertieft.
Schlussfolgerung: Der Zerfall der Islamischen Republik
Die wachsende innere Unruhe und die außenpolitischen Rückschläge im Iran eröffnen den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten eine strategische Chance. Der Westen sollte damit beginnen, sich auf eine Zukunft ohne die Islamische Republik vorzubereiten. Die tragenden Säulen des Regimes – religiöse Legitimität, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und regionale Macht – sind am Zerfallen. Zwar verfügt das Regime noch über Repressionsmittel durch Sicherheitskräfte, doch die gesellschaftliche Grundlage ist ihm längst entzogen. Ein Regimewechsel im Iran ist kein ferner Wunsch mehr – er ist eine zunehmend wahrscheinliche Realität. Die entscheidende Frage für westliche Führungskräfte ist nicht mehr, ob er kommt, sondern wie ein friedlicher, stabiler und demokratischer Übergang gestaltet werden kann.
Dr. Fariba Parsa hat einen Doktortitel in Sozialwissenschaften mit Spezialisierung auf iranische Politik, insbesondere politischen Islam, Demokratie und Menschenrechte. Sie ist Autorin des Buches Fighting for Change in Iran: The Women, Life, Freedom Philosophy against Political Islam („Für den Wandel im Iran kämpfen: Die Frau, Leben, Freiheit‘-Philosophie gegen den politischen Islam“) und Gründerin sowie Präsidentin von Women’s E-Learning in Leadership (WELL), einer gemeinnützigen Organisation, die Frauen im Iran und in Afghanistan durch Online-Leadership-Training stärkt.
Quelle: https://amgreatness.com/2025/05/10/why-regime-change-in-iran-is-becoming-inevitable/