Weder mit noch ohne dich: Wie kann die europäische Sicherheit ohne die USA gewährleistet werden?

Mit der überraschend wenig überraschenden Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten war jeder der Meinung, dass er viele bisher etablierte Normen auf den Kopf stellen würde. Doch niemand hatte damit gerechnet, dass er so schnell, radikal und auf höchstem Niveau in seine neue Amtszeit starten würde. Doch ohne es auszusprechen, behielt man die Hoffnung, dass dies nicht der Fall sein würde. Trump, der sofort nach seinem Amtsantritt mit einer Geschwindigkeit, die man nur als Lichtgeschwindigkeit beschreiben kann, Dekrete unterschrieb, begann seine Amtszeit. Dabei stieß er den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky aus dem Weißen Haus und machte damit einen Schritt, der alle bisherigen Exzesse in den Schatten stellte. Diese Behandlung von Zelensky war in Wirklichkeit eine klare Ausdrucksform der Haltung der Trump-Regierung der USA gegenüber Europa, die lange Zeit verborgen geblieben war. Seitdem diskutiert Europa intensiver als je zuvor, ob es in der Lage ist, sein derzeitiges Wohlstandsniveau und seine Sicherheit ohne die USA aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang stellt sich die entscheidende Frage: Wie lange kann der Krieg ohne die finanzielle, militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung der USA von Zelensky und somit von Europa fortgeführt werden?

Von Anfang 2022, als Russland die Ukraine angriff und der Krieg offiziell begann, bis Ende 2024 betrugen die finanziellen Hilfen der USA für die Ukraine 70 Milliarden Dollar, während die finanzielle Unterstützung durch Deutschland, eines der führenden Länder in Europa und eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt, nur bei 14 Milliarden Dollar lag. Wenn wir uns andere europäische Länder anschauen, sehen wir, dass Großbritannien 11 Milliarden, Dänemark 8 Milliarden und die Niederlande 6 Milliarden Dollar an Unterstützung für die Ukraine bereitgestellt haben. Frankreich, das 1966 aus dem militärischen Flügel der NATO austrat, aber 2009 wieder Teil des militärischen Flügels wurde und trotz dieses Rückzugs immer wieder betont, dass Europa nicht von der NATO und damit von den USA abhängig sein sollte, hat im gesamten Krieg nur 3,8 Milliarden Dollar ausgegeben. Diese kleine Übersicht zeigt uns deutlich, dass der Krieg ohne die materielle und militärische Unterstützung der USA kaum weitergeführt werden kann.

Stellen wir uns also die Frage, ob die europäischen Staaten, die diesen Krieg als ihren eigenen betrachten, in der Lage sein werden, die finanzielle, militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung, die die USA inzwischen eingestellt haben, während des Krieges stabil aufrechtzuerhalten. Die Zahlen und der Verlauf des Krieges zeigen, dass dies wenig wahrscheinlich ist. Auch wenn Europa versucht, die Situation der Ukraine zu verinnerlichen, stellt sich heraus, dass das Budget, das alle europäischen Regierungen für den Krieg bereitgestellt haben, nur 0,1% ihres jährlichen BIP ausmacht. Wenn der größte Akteur, die USA, den Tisch verlässt, müssen die europäischen Länder das von der Washingtoner Regierung ausgegebene Geld unter sich aufteilen, um die Ukraine weiterhin zu unterstützen. Das bedeutet, dass jedes europäische Land sich bereits darauf vorbereiten muss, den doppelten Betrag seines bisher zugewiesenen Budgets bereitzustellen. Sollte die finanzielle Unterstützung der USA ausbleiben, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Ukraine die gleiche Menge an materieller Unterstützung wie zuvor erhalten kann, selbst wenn die europäischen Staaten sich weiterhin bemühen. Als Trump, der die EU mit einer zusätzlichen 25%igen Importzoll auf Stahl- und Aluminiumprodukte unter Druck setzte, einen Schritt weiter geht und einige oder alle der gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen aufhebt, wird es für Europa noch schwieriger werden.

Es geht bei diesem Thema natürlich nicht nur um die finanzielle Unterstützung der USA. Wenn man bedenkt, dass viele der schweren Waffen und Luftabwehrsysteme, die die Ukraine verwendet, von den USA bereitgestellt wurden, muss Europa auch für dieses Problem eine Lösung finden. In diesem Zusammenhang wird gelegentlich von Experten die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit südkoreanischen Waffenfirmen diskutiert, jedoch sollte man nicht vergessen, dass Südkorea einer der wichtigsten Partner der USA ist. Es ist daher unvermeidlich, dass Trump, der behauptet, die EU sei darauf aus, die USA zu zerstören, langfristig auch in diese Handelsbeziehung eingreifen wird. Um sicherzustellen, dass Europa zumindest die notwendigen militärischen Ausrüstungen zur Unterstützung der Ukraine selbst beschaffen kann, müssen verschiedene Alternativen entwickelt werden. Frankreich, Italien und Polen gehören zu den führenden Ländern in diesem Bereich. Frankreich, das unter den EU-Staaten den größten Waffenexport hat, belegt weltweit hinter den USA den zweiten Platz, indem es Russland überholt hat. Dieser Aufstieg Frankreichs ist zum großen Teil auf die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland zurückzuführen, aber auch auf die fortschrittliche Technologie, die Frankreichs Waffenindustrie bietet. Italien und Polen sind zwei weitere europäische Länder, die ihren Anteil am weltweiten Waffenmarkt Jahr für Jahr weiter ausbauen.

Im Hinblick auf die Ukraine spiegeln sich die US-europäischen Beziehungen allgemein in ähnlicher Weise wider. Nach dem Zweiten Weltkrieg, aufgrund des Kalten Krieges, versuchte die USA, ganz Europa unter ihren Einfluss zu stellen, was zu einem großen Teil auch erfolgreich war. Bis heute musste die USA die gesamte Last der NATO tragen. Europäische Staaten konnten innerhalb des von den USA geschaffenen Sicherheitsgürtels ihre Wohlstand sichern, ohne Kompromisse einzugehen. Im Gegenzug gab es in der Geschichte kaum ernsthafte Probleme oder politische bzw. militärische Spannungen zwischen den USA und den europäischen Ländern. Die USA betrachteten Europa als einen erweiterten Teil und haben in den letzten Jahren ihre militärische und politische Dominanz in anderen Teilen der Welt weiter ausgebaut. Doch nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Existenz und Funktionalität der NATO auch in Europa diskutiert, und inzwischen ist auch die USA in diese Debatte eingetreten. Die Weltöffentlichkeit, die daran gewöhnt ist, dass Europa zur NATO Stellung nimmt, jedoch nie konkrete Schritte unternimmt, ist sich einig, dass diese Position der USA nicht nur eine leere Lautstärke darstellt. Zumindest haben alle europäischen Länder, insbesondere nach dem Rufmord an Zelensky, verstanden, dass sie in Wirklichkeit keine echten Verbündeten der USA sind. Aus diesem Grund haben sie angefangen, nach Lösungen zu suchen und ihre früheren ungerechtfertigten Beschwerden beiseite gelegt.

In Europa wird nun intensiv über die Möglichkeit diskutiert, eine neue Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Diese sogenannte „Europäische Armee“, die möglicherweise die NATO ersetzen könnte und Europa insbesondere vor Russland, aber auch bei Bedarf vor den USA schützen könnte, bleibt derzeit jedoch nur ein Wunschtraum, der noch nicht greifbar ist. Angesichts der Tatsache, dass in allen strategischen Bereichen der NATO seit ihrer Gründung amerikanische Offiziere tätig sind, ist es wahrscheinlich, dass das gesamte Wissen und technische Gedächtnis in diesem Bereich weiterhin in den Händen der USA bleibt. Wenn Europa sich entscheiden sollte, als ein einziges militärisches Gebilde zu agieren, bleibt immer noch unklar, wer die Führung dieses „Europäischen Heeres“ übernehmen würde. Für die politische Einheit Europas wird Deutschland immer wieder als führend genannt, während Frankreich die militärische Macht darstellt. In einem solchen Fall wird erwartet, dass Frankreich zusammen mit Großbritannien die Führung übernehmen könnte, während die jahrzehntelangen besonderen Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien eine neue Frage aufwerfen könnten.

Abschließend lässt sich sagen, dass der Aufbau eines möglichen militärischen Bündnisses als Alternative zur NATO unter Berücksichtigung der erforderlichen Merkmale keineswegs einfach ist und voraussichtlich nicht in weniger als einigen Jahren realisiert werden kann. Zunächst müssen sich die europäischen Staaten auf ein neues Kriegsumfeld vorbereiten, was besonders angesichts der Kriesen- und Sparmaßnahmen in Europa eine große Herausforderung darstellt. Während dieser Vorbereitungszeit wird erwartet, dass die bereits bestehenden wirtschaftlichen Schrumpfungen in Europa sich zu einer tieferen Krise entwickeln, die Militärausgaben steigen werden, die Regierungen zunehmend härtere Politiken anwenden und in vielen europäischen Ländern, in denen der Wehrdienst längst abgeschafft wurde, erneut Diskussionen über die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht aufkommen. Ebenso ist es von entscheidender Bedeutung, zu klären, in welchen Ländern militärische Stützpunkte stationiert werden sollen, welchen Platz die nukleare Rüstung in dieser neuen Verteidigungsstruktur einnehmen wird und welche militärische Präsenz in welcher Einheit und welchem Land vorgesehen ist.

Bei dem Bestreben, eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa zu schaffen, sollte nicht übersehen werden, dass europäische Länder durch ihre internen Konflikte die Potenziale für neue Konflikte erhöhen könnten. Jeder militärische Schritt muss nur dann legitim sein, wenn er dem Frieden dient und nicht zur Eskalation von Spannungen führt.