Vom Schauplatz verschwundener Akteur: Europa!

Der anhaltende Krieg zwischen Iran und Israel – ein direkter Konflikt, in dem Hunderte Raketen, Drohnen, Kampfflugzeuge und elektronische Kriegssysteme eingesetzt werden – zeichnet nicht nur das militärische Gleichgewicht, sondern auch die geopolitischen Gleichungen auf erschütternde Weise neu. Mitten in all diesem Chaos, während sich der Nebel des Krieges langsam lichtet, tritt ein altbekannter, inzwischen völlig bedeutungsloser Akteur ins Blickfeld: Europa – blass, unscheinbar und schwach.

Weder am diplomatischen Verhandlungstisch noch in strategischer Vermittlerrolle oder als militärisches Gegengewicht ist Europas Einfluss spürbar. Eine Außenpolitik, die sich auf Wirtschaftspakete und Verurteilungen beschränkt, wird von den Architekten der neuen Weltordnung nicht mehr ernst genommen. Ob man ihn nun mag oder nicht: In ganz Europa hat allein Emmanuel Macron noch einen gewissen Gestaltungsanspruch. Doch auch seine gelegentlichen Versuche, auf die Bühne zu treten, bleiben wirkungslos – denn ihnen fehlt militärisches Gewicht, politische Geschlossenheit und vor allem regionale Vertrauenswürdigkeit.

Dass Europa im Nahen Osten zunehmend bedeutungslos wird, ist keine neue Entwicklung – aber in diesem Ausmaß war sie bisher nie so deutlich sichtbar. Die Entwicklungen im Krieg zwischen Iran und Israel haben Europas strategisches Vakuum schonungslos offengelegt. Weder in Tel Aviv noch in Teheran, weder in Ankara noch in Riad spürt man irgendein geopolitisches Gewicht Brüssels. Die jahrelange Abhängigkeit von Washington hat zudem die eigenständigen Handlungsreflexe von Berlin und Paris lähmt. Sich unter dem Schirm der NATO zu verstecken, reicht heute nicht mehr aus, um die politischen Entscheidungsschwächen der EU zu kaschieren.

Das eigentlich Erstaunliche aber ist: Die einzige ernsthafte Alternative, die Europa heute noch bleibt, ist die Türkei. In Fragen der Energiesicherheit, des Migrationsmanagements, der Rüstungsindustrie und der Diplomatie ist Ankara der letzte verbleibende Verbindungspunkt Europas zur Region. Und genau diese Realität sorgt für einen tiefen Riss im strategischen Denken Europas. Denn die Türkei, die man jahrelang nur zögerlich als „ausgleichenden Akteur“ betrachten wollte, ist inzwischen zur „einzigen Brücke“ geworden.

Für die europäischen Eliten ist das nur schwer zu akzeptieren. Doch auf dem Schachbrett der neuen Weltordnung wird Europa entweder weiterhin nur ein Bauer bleiben – oder, gezwungenermaßen, mit gesenktem Haupt an die Tür der Türkei klopfen.