Übergangsjustiz im Sudan

Zwischen einer langen, mühevigen Suche und den Grundlagen einer alternativen Zukunft

Humanitäre Hilfe, Waffenstillstand und Wiederaufbau gehören derzeit zu den dringendsten politischen Prioritäten im Sudan. Doch eine weitere, grundlegende Frage drängt sich auf: Wie soll mit dem Erbe schwerer Menschenrechts- und humanitärrechtlicher Verstöße umgegangen werden, wenn der Krieg im Sudan eines Tages endet – und zwar im Sinne der Gerechtigkeit?

Diese Frage ist berechtigt, denn der Ansatz der „Übergangsjustiz“ wird für die künftige Gestaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung Sudans von entscheidender Bedeutung sein. Prozesse der Übergangsjustiz, die als Katalysatoren für friedlichere und gerechtere Gesellschaften gelten, sind in der Regel äußerst schwierig. Die Geschichte des Sudan ist sowohl ein Beweis dafür als auch ein Aufruf, auf die Chancen vorbereitet zu sein, die sich nach dem Ende des Krieges eröffnen könnten.

Jahrzehntelanges Ringen um Menschenrechte und Gerechtigkeit im Sudan

Der Sudan verfügt über eine reiche, sowohl konzeptionelle als auch praktische Erfahrung im Bereich der Übergangsjustiz – einschließlich Wahrheitsfindung, Entschädigung, strafrechtlicher Verantwortlichkeit und umfassender Reformen. Auch wenn die tatsächlichen Auswirkungen bisher begrenzt geblieben sind, bietet dieses Erbe einen wertvollen Erfahrungsschatz, auf dem sich aufbauen lässt.

In den letzten vierzig Jahren sind Menschenrechte und Gerechtigkeit zunehmend in den Vordergrund getreten – sowohl im Hinblick auf den Umgang mit bewaffneten Konflikten und dem autoritären Regime al-Bashirs als auch im Zusammenhang mit der Frage, wie erfolgreiche Übergänge gestaltet werden können. Die Suche nach Gerechtigkeit hat sich auf vielfältige Weise manifestiert:

  • in den 1980er Jahren durch die Reforminitiativen und Menschenrechtsberichte der sudanesischen Anwaltskammer,

  • in den 1990er Jahren durch Erklärungen der Zivilgesellschaft zu Menschenrechten und Übergangsjustiz,

  • in den 2000er Jahren durch das Engagement von Opfern, Anwälten und NGOs mit Schwerpunkt auf Darfur,

  • durch Reforminitiativen, Protestbewegungen, Frauenrechtsaktivismus und schließlich

  • durch die Revolution der späten 2010er Jahre, in der Gerechtigkeit zu einem zentralen politischen Slogan wurde.

Auch auf lokaler Ebene blieb die Forderung nach Gerechtigkeit lebendig. Bei einem Workshop, an dem ich 2008 in Kadugli in den Nuba-Bergen teilnahm, erinnerten sich die Teilnehmenden spontan an ihre Erlebnisse und erlittenen Verletzungen während des Krieges der 1990er Jahre und diskutierten, was Gerechtigkeit für sie persönlich bedeutet.

Von theoretischen Ansätzen zu praktischen Erfahrungen

Die Debatten und Forderungen nach Gerechtigkeit blieben nicht bloß theoretisch. Bereits seit den 1970er Jahren lassen sich relevante praktische Ansätze beobachten:

  • Amnestien im Kontext des Bürgerkriegs im Südsudan,

  • Verfassungsreformen durch das Umfassende Friedensabkommen von 2005,

  • Elemente der Übergangsjustiz in den Darfur-Friedensabkommen von 2006 und 2011,

  • die Überweisung der Darfur-Situation an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) im Jahr 2005 sowie

  • die begrenzte Zusammenarbeit der Regierung mit dem Darfur High-Level Panel der Afrikanischen Union (2009).

Nach dem Sturz des Regimes von al-Bashir im Jahr 2019 wurde die Übergangsjustiz zu einem zentralen Bestandteil der Verfassungsdeklaration desselben Jahres. Zu den ergriffenen Maßnahmen gehörten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Massaker von Khartum im Juni 2019 sowie die Bildung eines Ausschusses zur Bekämpfung von Korruption und zur Wiederbeschaffung öffentlicher Gelder. Beide Initiativen blieben jedoch umstritten und führten zu problematischen Ergebnissen.

Auch das umstrittene Juba-Friedensabkommen von 2020 sah – ähnlich wie frühere Friedensabkommen – Maßnahmen im Bereich der Übergangsjustiz vor.

Zwischen Erwartungen und Realität

Die Ergebnisse dieser Bemühungen blieben schwach: Abgesehen von einigen begrenzten Reformen, kaum Entschädigungen und nur wenigen strafrechtlichen Verfahren gegen Verantwortliche, wurde wenig erreicht. Die Kluft zwischen Erwartungen und tatsächlichen Ergebnissen ist deutlich spürbar.

Diese Geschichte erzählt von den Paradoxien einer gescheiterten Übergangsphase – oder genauer gesagt: einer Übergangsjustiz ohne echten Übergang. Sie ist geprägt von ungleichen Machtverhältnissen und der Straffreiheit meist männlicher Gewalttäter.

Um tief verwurzelte und zerstörerische Regierungsformen zu überwinden, stellt sich daher die Frage:
Welche Lehren lassen sich aus den jahrzehntelangen Bemühungen um Gerechtigkeit ziehen, um diesen umfassenderen politischen Zielen näherzukommen?

Lehren aus der Beteiligung an der Übergangsjustiz im Sudan

Das Konzept der Übergangsjustiz hat sich – zumindest theoretisch – sowohl als Prinzip als auch als Praxis zu einer politischen Realität und Notwendigkeit entwickelt. Dies ist auf die Rolle des Internationalen Strafgerichtshofs in Darfur, die Beteiligung der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und anderer Akteure – insbesondere aber der sudanesischen Zivilgesellschaft – zurückzuführen. Es gibt eine Vielzahl sachkundiger sudanesischer Akteure mit reicher Erfahrung in Diskussionen und Initiativen zu diesem Thema. Die Vielfalt an Stimmen und Perspektiven verdeutlicht, dass der Wert kontextbezogener und partizipativer Ansätze weithin anerkannt ist.

Trotz dieses Hintergrunds sind die politischen Herausforderungen und Risiken auf dem Weg zu einer erfolgreichen Übergangsjustiz erheblich. In Situationen, in denen kein echter politischer Übergang stattfindet – etwa wenn das Land de facto zwischen Kriegsparteien aufgeteilt ist –, droht der Übergangsjustiz entweder Marginalisierung oder politische Instrumentalisierung, oft sogar beides zugleich. Zwar kann ein Friedensabkommen Bestimmungen zur Übergangsjustiz enthalten, doch zeigt die Erfahrung, dass solche Maßnahmen eher dazu neigen, gewaltgestützte und kleptokratische Herrschaftsstrukturen zu festigen, anstatt die für eine wirksame Umsetzung notwendige politische Transformation zu bewirken.

Selbst wenn ein Übergang zu ziviler Herrschaft erfolgt, werden Gerechtigkeitsmaßnahmen nicht unbedingt als legitim angesehen, sofern sie nicht in demokratische und inklusive Prozesse eingebettet sind. Diskussionen über die Methoden eines solchen Prozesses während der Übergangsperiode 2019–2021 bildeten eines der Haupthindernisse für wirksames Handeln. Teilweise und/oder politisierte Maßnahmen – etwa solche, die sich auf bestimmte Gruppen konzentrieren, bestimmte Gemeinschaftsmitglieder gezielt bestrafen (strafrechtliche Verantwortung) oder ausschließen (Entschädigung) – können, selbst wenn sie keine weitere Polarisierung oder Gewalt auslösen, kontraproduktiv wirken und Gegenreaktionen hervorrufen.

Ein Prozess der Übergangsjustiz kann auch hinsichtlich seiner Prioritäten, Mechanismen und Abfolge wirkungslos bleiben. Die Übergangsperiode von 2019 bis 2021, in der Reformen des Sicherheitssektors verschoben und andere Reformen zur Auflösung des früheren Regimes ohne ausreichende rechtliche Verfahren umgesetzt wurden, bietet in dieser Hinsicht wertvolle Lehren. Das entscheidende Erfolgskriterium eines solchen Prozesses liegt nicht nur darin, den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen und Menschenrechte sowie Rechenschaftspflicht zu gewährleisten, sondern auch darin, wie transformativ er für den Sudan selbst ist.

Daher müssen diese Prozesse in umfassendere politische, soziale und wirtschaftliche Reformen eingebettet werden – Reformen, die die vielen Ursachen angehen, die die wiederkehrenden Zyklen von autoritärer Herrschaft, Konflikten und Menschenrechtsverletzungen im Sudan begünstigen, wie etwa Ungleichheit und Diskriminierung.

In einem Umfeld, das von jahrzehntelangen Verstößen geprägt ist und in dem eine zunehmend polarisierte Gesellschaft zahlreiche Opfer wie auch Täter hervorgebracht hat, ist die Förderung von Gerechtigkeit eine höchst komplexe und schwierige Aufgabe. Sie wirft viele unbequeme Fragen auf, für die es keine einfachen Antworten – wie etwa Amnestien – gibt.

Solche Fragen lassen sich am besten durch prozessorientierte Ansätze angehen, die lokale und nationale Traditionen, Erfahrungen, Ansichten und Präferenzen berücksichtigen. Die Umsetzung dieses Ansatzes und konkreter Gerechtigkeitsmaßnahmen erfordert den Aufbau einer angemessenen institutionellen und personellen Infrastruktur. Internationale Akteure können hierbei eine unterstützende und beratende Rolle spielen, wenn sie die Initiative der Sudanesen selbst achten und stärken.

Unter geeigneten politischen Bedingungen sind die Grundlagen für die Förderung einer sudanesischen Übergangsjustiz bereits vorhanden – getragen von lokalem und nationalem Wissen sowie Erfahrung. Wenn Raum dafür geschaffen wird, kann die revolutionäre Suche nach „Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit“ durch inklusive und demokratische Prozesse tatsächlich verwirklicht werden.

„Debating Ideas“ spiegelt die Werte und den redaktionellen Ansatz der Buchreihe African Arguments wider und bietet Raum für oft radikale, originelle und aktivistische Beiträge aus und über Afrika. Die daraus entstehenden Diskussionen, Auseinandersetzungen und Analysen – inspiriert von den African Arguments-Büchern – werden vom International African Institute (IAI) an der School of Oriental and African Studies (SOAS), University of London, organisiert und betreut.

Quelle: https://africanarguments.org/2025/10/transitional-justice-in-sudan-between-a-long-standing-elusive-quest-and-the-foundation-for-an-alternative-future/