Russland–Iran–China-Allianz: Eine tiefgreifende Veränderung im globalen Machtgleichgewicht?
Washingtoner Schlagzeilen warnen vor einer entstehenden „Achse der Unruhe“ (Axis of Upheaval). Dieser Rahmen ist jedoch irreführend: Das fragliche Bündnis basiert weder auf gegenseitigem Vertrauen noch auf einer gemeinsamen Ideologie. Vielmehr handelt es sich um eine fragile Partnerschaft zwischen isolierten Mächten, die versuchen, ihren Weg in einer zunehmend von den USA dominierten internationalen Ordnung zu finden.
In den letzten Monaten haben wir eine Verstärkung der Beziehungen zwischen Russland, China, Iran und Nordkorea beobachtet. Diese Länder tauschen militärische Ausrüstung, koordinieren ihre diplomatischen Strategien, nehmen an gemeinsamen Militärübungen teil und unterstützen sich auf internationalen Plattformen gegenseitig. Angesichts des seit langem andauernden Ukraine-Kriegs und der zunehmenden Spannungen in Ostasien haben diese Entwicklungen die Besorgnis über eine koordinierte antiwestliche Koalition verstärkt. Allerdings wäre es irreführend, diese Konstellation als ein kohärentes, integriertes Bündnis zu bezeichnen. Die Länder handeln ohne ideologische Übereinstimmung. Anstatt eine alternative Weltordnung aufzubauen, reagieren sie pragmatisch auf die vom Westen als aggressiv und interventionistisch wahrgenommene Struktur. Ihre Kooperationen beruhen auf vertrauten Ressentiments, nicht auf gemeinsamen Zielen.
Dieses Verständnis ist entscheidend. Die Beziehungen als dauerhaft und einheitlich darzustellen, überhöht nicht nur die Solidarität zwischen ihnen, sondern kann auch strategische Entscheidungsprozesse irreführen. Tatsächlich handelt es sich bei diesen taktischen Manövern um defensive Reaktionen auf das als erdrückend empfundene westliche Machtgefüge und systematische Ausgrenzung. Politikgestalter, die diese Realität erkennen, können differenziertere Ansätze entwickeln, die die bedingte Natur dieser Partnerschaften akzeptieren.
Überleben steht an erster Stelle
Das Verhalten dieser Länder steht im Einklang mit den Theorien des Realismus in den Internationalen Beziehungen. Der Realismus geht davon aus, dass Staaten in einem anarchischen globalen System vor allem auf ihr Überleben achten. Der Wissenschaftler Kenneth Waltz bemerkte: „In der Anarchie ist Sicherheit das höchste Ziel.“ Ohne globale Governance-Mechanismen sind Staaten gezwungen, sich allein auf ihre Sicherheit zu verlassen. Dies führt dazu, dass sie taktische Partnerschaften eingehen, die auf strategischer Notwendigkeit und nicht auf gemeinsamen Überzeugungen oder Nähe basieren.
Betrachten wir Russland: Trotz Krieg und wirtschaftlicher Sanktionen erhält das Land eine bedeutende militärische Kapazität aufrecht und nutzt Energieressourcen als diplomatisches Instrument. Iran, durch Isolation und Sanktionen bedrängt, erweitert seinen Einfluss über asymmetrische Kriegstaktiken und ideologische Netzwerke. China, die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, bietet Kapital, technologische Ressourcen und ein autoritäres Entwicklungsmodell. Nordkorea behält seine Unberechenbarkeit durch seine Nuklearkapazität und das Entsenden von Truppen nach Russland bei. Diese Länder bilden keine ideologisch einheitliche Allianz, sondern eine pragmatische Partnerschaft, die durch kollektive Notwendigkeit motiviert ist.
Der führende Realist John Mearsheimer betont die wettbewerbsorientierten Dynamiken unter Großmächten und stellt fest: „Die bittere Wahrheit ist, dass internationale Politik immer gnadenlos und gefährlich ist.“ Großmächte verfolgen oft maximale Sicherheit und Einfluss zulasten ihrer Rivalen. Die Komplexität der Gegenwart ergibt sich aus den ideologischen Aspekten dieser sich neu formierenden Koalition. Diese Regierungen lehnen die liberal-demokratischen Prinzipien der bestehenden globalen Ordnung ab, sehen sie als bedrohlich und ineffektiv an. Ihre Zusammenarbeit repräsentiert sowohl eine ideologische Herausforderung als auch eine strategische Kalkulation.
Staatsouveränität, Ablehnung des Liberalismus und Kontrolle des Konsenses prägen zwar die Rhetorik dieser Regime, doch vermeiden sie übermäßige Verpflichtungen. Diese Annäherung spiegelt eher überlappende autoritäre Instinkte als eine einheitliche Doktrin wider. Wie viele Analysten festgestellt haben, besteht keine tiefgreifende ideologische Harmonie; die Beziehungen bleiben bedingt, asymmetrisch und auf strategischen Pragmatismus ausgerichtet.
Abhängige autoritäre Annäherung
Diese Partnerschaft lässt sich am treffendsten als „abhängige autoritäre Annäherung“ (dependent authoritarian convergence) beschreiben. Sie geht über bloße Überlebensstrategien hinaus und schafft miteinander verknüpfte Strukturen aus wirtschaftlicher Abhängigkeit, militärischer Synchronisierung und technologischer Kooperation.
Die Drohnentechnologie Irans hat trotz internationaler Sanktionen Russlands militärische Operationen in der Ukraine gestärkt. Chinas Handelsbeziehungen und Finanzinvestitionen bieten sowohl Russland als auch Iran entscheidende Unterstützung, während alternative Systeme zu den vom Westen kontrollierten Währungssystemen, einschließlich des digitalen Yuan, vorangetrieben werden. Diese Entwicklungen repräsentieren eine schrittweise Bewegung hin zu einem alternativen, regelbasierten Rahmen, der die westlich dominierte Ordnung herausfordert.
Im Unterschied zu historischen Allianzen, die unter Druck entstanden, entwickelt diese Annäherung parallel Mechanismen wie digitale Währungen, Drohnenlieferketten und grenzüberschreitende Überwachungsinstrumente. Diese Strukturen bergen das Potenzial, über kurzfristige Kooperation hinaus zu bestehen, sind jedoch noch im Aufbau und nicht vollständig institutionalisiert.
Historische Beispiele zeigen, dass unter Druck geschlossene Allianzen meist zerfallen, sobald akute Bedrohungen verschwinden. Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt von 1939 löste sich innerhalb von zwei Jahren auf. Während des Kalten Krieges begannen China und die Sowjetunion zunächst als Partner, entwickelten sich jedoch später zu erbitterten Gegnern. Die heutige autoritäre Annäherung funktioniert jedoch anders. Ihre wirtschaftlichen Verflechtungen, technologische Fusion und gemeinsame anti-liberale Weltanschauung deuten auf eine stabilere und dauerhaftere Basis hin. Moderne Technologien ermöglichen ein Koordinations- und Überwachungspotenzial, das in früheren autoritären Partnerschaften nicht vorhanden war. Die digitale Infrastruktur, die diese Länder verbindet, schafft Abhängigkeiten weit über traditionelle militärische oder diplomatische Kooperation hinaus. Zudem eröffnet die globale Vernetzung der Gegenwart die Möglichkeit, dass diese alternativen Systeme auch andere Länder anziehen, etwas, das isolierte Blöcke während des Kalten Krieges nicht erreichen konnten.
Bedeutung für die Zukunft der globalen Ordnung
Westliche Entscheidungsträger sollten diese Beziehungen nicht länger als kurzfristige Zweckbündnisse ansehen. Sie repräsentieren absichtlich geschaffene Systeme, die von alternativen Zahlungssystemen bis hin zu konkurrierenden internationalen Rechtsrahmen reichen und die grundlegenden Annahmen der globalen Governance herausfordern.
Der Realismus erklärt Gleichgewicht und Machtausübung, erfasst jedoch nicht vollständig die Ideologie hinter dieser Annäherung. Das autoritäre Modell bietet eine starke alternative Erzählung: wirtschaftliches Wachstum ohne politische Liberalisierung, Stabilität durch Kontrolle statt Konsens und Souveränität gegenüber universellen Menschenrechten. Der Westen steht vor zwei miteinander verwobenen Risiken: eskalierende militärische Konflikte und die Normalisierung autoritärer Herrschaft als global anwendbares Modell. Viele Entwicklungsländer beobachten diese autoritäre Annäherung nicht nur mit Sorge, sondern auch mit Interesse, da sie mögliche Entwicklungspfade erkennen, die keine westlich geprägte Demokratisierung erfordern.
In einer Welt, in der Druck, Überwachung und staatlicher Kapitalismus effektiv vernetzt sind, kann die liberale Demokratie wettbewerbsfähig bleiben? Kann die Vereinigten Staaten noch eine konsistente Gegenkoalition anführen? Oder neigt die liberale internationale Ordnung stillschweigend einer neuen Realität aus dem Osten zu? Während diese autoritären Partnerschaften sich vertiefen und institutionalisieren, könnte das Zeitfenster für eine effektive Antwort schrumpfen.
Die Zukunft der globalen Governance hängt davon ab, inwieweit demokratische Staaten dieses Phänomen der autoritären Annäherung richtig verstehen und darauf reagieren. Eine falsche Interpretation als bloße Zweckgemeinschaft könnte diese Mächte noch stärker zusammenführen. Stattdessen eröffnet die Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden ideologischen und strukturellen Veränderungen neue Möglichkeiten für Diplomatie und strategische Konkurrenz.
Die globale Ordnung bricht nicht über Nacht zusammen; sie wird jedoch still und stetig neu geformt. Die entscheidende Frage lautet: Kann die liberale Demokratie schnell genug reagieren, um ihre Legitimität zu wahren, oder erleben wir den klaren Aufstieg einer neuen, autoritäreren Ära? Die von diesen Ländern geschaffenen technologischen Abhängigkeiten und parallelen Institutionen – von alternativen Zahlungssystemen bis zu koordinierten Überwachungsnetzwerken – stellen eine Infrastruktur dar, die über Krisen oder Führungswechsel hinaus Bestand haben kann.
Im Gegensatz zu den ideologisch leeren Allianzen der Vergangenheit bietet diese Annäherung den Entwicklungsländern ein konsistentes alternatives Entwicklungsmodell, das keine demokratische Liberalisierung erfordert. Die rationale Logik, die diese Partnerschaften leitet, garantiert deren Existenz, solange die westliche Hegemonie anhält; die institutionelle Tiefe deutet jedoch darauf hin, dass diese Beziehungen auch dann fortbestehen könnten, wenn geopolitischer Druck nachlässt. Demokratische Staaten müssen anerkennen, dass sie nicht nur mit rivalisierenden Mächten, sondern auch mit einem neuen System konkurrieren, das die grundlegenden Annahmen der liberalen internationalen Ordnung herausfordert. Diese autoritären Partnerschaften bewegen sich von taktischer Zusammenarbeit zu struktureller gegenseitiger Abhängigkeit, und die verbleibende Zeit, um diese Transformation zu gestalten, wird knapper. Entsteht dabei keine Allianz des Vertrauens, sondern eine Achse der Notwendigkeit, aufgebaut auf Klagen, Überlebenskampf und den Rissen der liberalen Ordnung.
*Ameer Al-Auqaili ist Doktorand an der Wayne State University.