Melonis Aufschwung und Macrons Fiasko: Die Bedeutung politischer Führung

Einst war das Klischee einfach: Italien war das ewige „ungezogene Kind“ Europas; ein Land, das von einer Schuldenkrise zur nächsten taumelte, dessen Regierungen zerfielen, bevor die Tinte auf den Misstrauensvoten trocken war. Frankreich hingegen lächelte im Glanz seiner angenommenen Stabilität — die gaullistische Verfassung von 1958 hatte dem Präsidenten teilweise autoritäre Exekutivbefugnisse verliehen; Frankreich verfügte über eine solide Finanzlage und eine Tradition der Zentralisierung, die sich nahezu monarchisch in das Präsidentenamt einfügte und das Chaos der vorherigen Vierten Republik fernhielt.

Wie schnell sich das Schicksal wendet: Laut TradingEconomics.com liegt die Rendite italienischer 10-jähriger Staatsanleihen nun fast auf dem Niveau ihres französischen Gegenstücks; am 29. September erzielte die italienische Anleihe 3,575 %, die französische 3,542 %. Während Italien unter der Führung von Giorgia Meloni nun Ruhe und Zuverlässigkeit ausstrahlt, steht Emmanuel Macron an der Spitze einer Nation, die ins Chaos gestürzt ist, deren Institutionen zerfallen, deren Finanzstruktur wackelt und deren Gesellschaft in Flammen steht. Das Land steht am Rande seiner eigenen „Anni di piombo“.

Die Zahlen sprechen für sich. Italien, einst der Inbegriff finanzieller Verschwendung, bereitet sich auf die Rückkehr zur europäischen Haushaltsdisziplin vor. Das diesjährige Budget Roms sieht ein Defizit von etwa 3,3 % des BIP vor; ein klarer Hinweis auf Fortschritte in Richtung der von Brüssel geforderten Vorgaben. Frankreich hingegen steht in diesem Jahr einem astronomischen Defizit von 5,5 % gegenüber, und die versprochenen Korrekturen wurden auf 2029 verschoben — ein Datum, das so weit entfernt erscheint, dass es nahezu bedeutungslos wirkt. Investoren wenden nun für französische Anleihen dasselbe Risikoprofil an wie für die italienischen. Fitchs Herabstufung der französischen Note und die Aufwertung der italienischen bestätigen nur, was die Märkte längst spürten: Frankreich bröckelt; Italiens ehemals „krankes Mann“-Image erhebt sich wieder.

Doch dieser Wandel lässt sich nicht allein durch wirtschaftliche Faktoren erklären. Führung zählt — und hier zeigt sich der größte Unterschied. Meloni, zuvor als engstirnige und unerfahrene Nationalistin unterschätzt, demonstrierte Disziplin und Durchhaltevermögen, die Italien über Generationen vermisst hatte. Sie hielt ihre Koalition zusammen, managte die Beziehungen zu Brüssel, ohne sich zu unterwerfen, und vermittelte ein seltenes Gefühl politischer Stabilität in Italien. So gewann das Land einen Teil seines seit Jahren verlorenen Selbstvertrauens zurück — sowohl innen- als auch außenpolitisch. Kein Wunder, dass die Italiener zufrieden sind.

Macron hingegen hat das genaue Gegenteil bewiesen: Er verwandelte die normalerweise mit Exekutivmacht und politischer Ruhe verbundene Fünfte Republik in ein dauerhaftes Chaos. Fünf Premierminister in zwei Jahren; ein Präsidialamt, das improvisiert geführt wird; ein Nationalversammlung, die unkenntlich und vollständig gespalten ist. Der einstige, angebliche „jupitervarische“ Charme ist vollständig verflogen. Übrig bleibt ein isolierter, ineffektiver, erschöpfter Führer — an der Spitze eines Systems, das immer häufiger als „italienisiert“ bezeichnet wird. Angesichts der kontrastierenden Schicksale der beiden Länder eine bittere Ironie.

Der Niedergang Frankreichs ist nicht nur institutionell, sondern auch gesellschaftlich. Dies zeigt sich deutlich im aufgewühlten Zorn auf den Straßen und im Zerfall der politischen Strukturen. Anfangs als „cool“, jung und reformistisch vermarkteter Macronismus hat sich im Laufe der Zeit in eine fragile Technokratie entfernt vom Alltag verwandelt; eingeschlossen in die Blase des bohemischen Paris, unfähig, das echte Frankreich zu verstehen oder mit ihm zu kommunizieren. Der angeblich von Macron vertretene zentristische Boden verschwindet — und damit auch die Legitimität der herrschenden Eliten der Französischen Republik.

Wenn Melonis Italien zeigt, wie ein „populistisches“ Staatsoberhaupt trotz Kritik Macht sammeln und ein Land regieren kann, zeigt Macrons Frankreich, wie ein zentralistisch aufgestelltes Wunderkind seine Autorität vergeudet und nichts als Chaos hinterlässt.

All dies bedeutet jedoch nicht, dass Italiens Probleme geleugnet werden. Die Staatsverschuldung bleibt enorm, die demografische Struktur komplex. Trotz der vom Premier geschaffenen abnormalen Normalität bleibt die Verfassung weiterhin erheblich anfällig für Verwirrung und institutionelle Konflikte. Meloni hat noch einen langen Weg vor sich. Doch in der Politik ist Wahrnehmung an sich eine eigene Realität. Heute herrscht in Italien ein Gefühl der Stabilität, während in Frankreich ein Eindruck des Dahintreibens vorherrscht. Meloni kann überzeugend vertreten, dass sie Italien stabilisiert und ihren Einfluss in Brüssel wiederhergestellt hat; Macron hingegen wird schwerlich mehr als Enttäuschung und Chaos als Vermächtnis verteidigen können. Am Ende seines Mandats wird niemand ihm nachtrauern.

Die Geschichte wird also nicht die Ironie, sondern die Lehre festhalten: Nationen steigen oder fallen nicht durch Schicksal, sondern durch Führung. Melonis Italien beweist, dass selbst ein als unregierbar angesehenes Land durch Entschlossenheit und Disziplin sein Schicksal wieder in die Hand nehmen kann. Macrons Frankreich hingegen zeigt, wie Arroganz, Abgehobenheit und Improvisation selbst die stärksten politischen Strukturen zerstören können. Italiens Aufstieg wird als Melonis Erfolg in Erinnerung bleiben. Der Niedergang Frankreichs wird Macrons Vermächtnis sein.

Quelle: https://europeanconservative.com/articles/analysis/melonis-momentum-vs-macrons-malaise-the-importance-of-political-leadership/