Hamas sagt „Ja, aber“ zu Trumps Initiative

Die Erklärung, die die Hamas gestern veröffentlichte, war keine gewöhnliche politische Botschaft, sondern ein kalkulierter Zug in einem komplexen Spiel. Die Bewegung teilte mit, dass sie Trumps Friedensinitiative begrüße und nach bestimmten Anpassungen bereit sei, über die Freilassung der Gefangenen im Austausch gegen den israelischen Rückzug zu verhandeln. Auf den ersten Blick könnte diese Erklärung den Eindruck erwecken, dass die Hamas die Bedingungen der USA akzeptiert habe. Doch zwischen den Zeilen wird deutlich, dass dem keineswegs so ist.

In Wirklichkeit sagte die Hamas zu Trump „Ja“, ließ die Tür aber für viele Interpretationen offen. Auf diese Weise beruhigte sie einerseits Trumps Zorn, der mit weiteren israelfreundlichen Schritten drohte, und verhinderte andererseits, dass Netanjahu ihr seine eigenen Bedingungen aufzwingen konnte. Die Erklärung balancierte zwei Dinge gleichzeitig: Trump nicht direkt herauszufordern, aber auch Netanjahus Forderungen nicht anzunehmen.

Wer Trumps Persönlichkeit kennt, weiß: Er präsentiert sich gerne als starker Führer, der Frieden bringt. Die Hamas hat das sehr gut verstanden. Ohne ihn zu provozieren, aber auch ohne sich zu unterwerfen, ließ sie eine Hintertür offen. Äußerlich sagte sie: „Wir sind dem Frieden nicht verschlossen“, tatsächlich aber gab sie keinen Millimeter nach. Das war ein kluger Schachzug.

Netanjahu hingegen trat nach seinem Treffen mit Trump vor die Presse und behauptete, Israel habe die Hamas umzingelt und einige arabische Staaten hätten bereits begonnen, seine Bedingungen zu akzeptieren. Er versuchte, sich als alleiniger Herr des Spiels darzustellen. Doch die gestrige Erklärung der Hamas erschütterte dieses Bild. Mit einer kompromisslosen, aber konstruktiven Sprache eröffnete die Bewegung ein neues diplomatisches Feld.

Tatsächlich handelt es sich hier um eine neue Form des Krieges: einen „Krieg der Verhandlungen“. Die Auseinandersetzung findet nicht mehr nur auf dem Schlachtfeld mit Raketen und Bombardements statt, sondern auch über Presseerklärungen und diplomatische Manöver. Dieses Terrain ist mindestens so entscheidend wie die Front, denn es beeinflusst die öffentliche Meinung und die Entscheidungen der großen Hauptstädte direkt. Und die Hamas weiß das genau.

Auffällig ist, dass das Weiße Haus die Erklärung der Hamas sogar über seine offiziellen Kanäle teilte – ein Zeichen dafür, dass auch Washington nach einem Ausweg sucht. Denn die bedingungslose Unterstützung Israels belastet die USA politisch und moralisch schwer, vor allem angesichts der Zerstörung in Gaza und der zivilen Opfer. Die Stellungnahme der Hamas bot Washington die Möglichkeit, sein Image als „Vermittler des Friedens“ aufrechtzuerhalten.

Doch das amerikanische Dilemma ist tief. Einerseits ist man Netanjahu überdrüssig, andererseits sieht man in Israel einen unverzichtbaren Verbündeten. Daher fährt Washington eine doppelte Strategie: Es übt verbal Druck auf die israelische Regierung aus, setzt seine faktische Unterstützung aber fort. In Wahrheit will die US-Regierung vor allem die Spannungen in der Region etwas dämpfen, um ihre Aufmerksamkeit anderen Themen zuzuwenden – China, Venezuela und ähnlichen Schauplätzen.

Die kommenden Phasen werden deutlich härter. Denn am Verhandlungstisch geht es längst nicht mehr nur um „Gefangenenaustausch gegen Rückzug“. Netanjahu ist ein Meister darin, Abkommen zu sabotieren. Um innenpolitisch überleben zu können, greift er zu allen Manövern. Für ihn wäre jedes Zugeständnis an die Hamas eine persönliche Niederlage. Ohnehin steht er wegen des Scheiterns in Gaza innenpolitisch stark unter Druck.

Die Hamas hingegen muss das Spiel fortsetzen – um Zeit zu gewinnen, international legitimer zu wirken und zu verhindern, dass Israel allein die Regeln bestimmt. Die jüngste Erklärung zeigte, dass die Bewegung flexibel, aber zugleich prinzipientreu handeln kann.

Auch in der arabischen Welt hatte die Erklärung eine erhebliche Wirkung. Netanjahu hatte angedeutet, einige arabische Länder hätten seine Bedingungen bereits akzeptiert. Doch die Haltung der Hamas brachte diese Staaten in Verlegenheit. Denn die Bewegung hat weder die Tür zum Frieden geschlossen noch sich ergeben. Das stärkte ihre Position in den Augen der arabischen Bevölkerungen und zwang mehrere Regierungen, ihre bisherigen Erklärungen zu überdenken.

Am Ende stehen wir vor einer dreifachen Gleichung: Trump sucht nach einem politischen Sieg, der ihn in die Geschichtsbücher eintragen soll; Netanjahu will sein Image als unbesiegbarer Anführer bewahren; und die Hamas gewinnt an Einfluss, indem sie Widerstand mit Flexibilität verbindet. Die USA hingegen wollen diese Akte so schnell wie möglich abschließen und sich anderen Prioritäten zuwenden.

Die kommenden Verhandlungen werden ebenso riskant sein wie ein echter Krieg. Denn jedes Wort, jede Formulierung am Tisch wird die Richtung der Zukunft bestimmen. Mit ihrer jüngsten Erklärung hat die Hamas gezeigt, dass sie bereit ist, dieses Spiel mitzuspielen. Ob Netanjahus alte Taktiken erneut funktionieren – oder ob sich diesmal sowohl Washington als auch die Länder der Region von ihm abwenden –, wird die Zeit zeigen.

Eines jedoch ist sicher: In diesem großen Schachspiel, das im Schatten der Bomben über Gaza weitergeht, sind Worte inzwischen ebenso wirkungsvoll wie Waffen. Der jüngste „Ja, aber“-Vorstoß der Hamas beweist, dass dieser Krieg längst nicht mehr nur an der Front, sondern auch am Verhandlungstisch geführt wird.