Der Shanghaier Gipfel und Chinas Militärparade: Die Verkündung einer neuen Welt

Nur 150 Kilometer von Peking entfernt fand der Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit mit der Teilnahme von Staats- und Regierungschefs aus Asien, Europa und Zentralasien statt. Dieses Bild spiegelte einen wachsenden strategischen Wandel und neue Bestrebungen wider, die sich gegen die verengte Struktur der internationalen Ordnung richteten, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war. Der Gipfel tagte in einer für die Weltpolitik kritischen Phase. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dauert weiterhin ohne Lösung an, die unbegrenzte Unterstützung der USA für Israel sorgt sogar in Europa für Unmut, und das globale System wirkt zunehmend blockiert. In genau dieser Atmosphäre kamen Mächte zusammen, die unterschiedliche, ja sogar widersprüchliche Interessen und Konflikte miteinander haben, um nach einer ausgewogeneren und multipolaren Ordnung zu suchen.

Einer der bemerkenswertesten Aspekte des Gipfels war die gemeinsame Präsenz Indiens und Pakistans am selben Tisch. Noch vor wenigen Monaten standen diese beiden Rivalen in Grenzkonflikten gegeneinander, doch unter dem Dach von Shanghai saßen sie Seite an Seite. Dass Indien, einer der größten Rivalen Chinas, unter dem Druck der US-Sanktionen teilweise auf Peking zuging, zeigte deutlich, dass Neu-Delhi bestrebt ist, alle Optionen offen zu halten. Darüber hinaus war die Teilnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der nach langer Zeit erstmals wieder sein Land verließ, von großer symbolischer Bedeutung. Sie war eine starke Botschaft, dass Moskau – entgegen der Behauptungen des Westens – keineswegs isoliert ist.

Trotz der dichten Agenda traten einige Entscheidungen besonders hervor, die klar den Willen signalisierten, in den internationalen Beziehungen ein neues Kapitel aufzuschlagen. Der kritischste Schritt war die gemeinsame Verurteilung der Aggressivität der USA und Israels gegenüber dem Iran. Dass sich Länder mit so unterschiedlichen Interessen in diesem Punkt einig zeigten, war ein starkes diplomatisches Signal an Washington und Tel Aviv. Zudem kam die Idee auf, unter dem Dach von Shanghai eine neue Entwicklungsbank zu gründen. Dies könnte als Versuch gewertet werden, eine Alternative zur westlich dominierten Finanzordnung und zur Dollar-Hegemonie zu schaffen. Das wirtschaftliche Potenzial von China, Russland und Indien zwingt dazu, dieses Vorhaben ernst zu nehmen. Auf dem Gipfel wurden außerdem erneut Appelle laut, die Multipolarität zu stärken und das westliche Monopol zu brechen.

China beließ es nicht dabei, den Shanghaier Gipfel auszurichten, sondern organisierte zugleich eine prächtige Militärparade, die auf den Jahrestag des Sieges über Japan fiel. Mehr als 55 Länder waren vertreten, darunter Russlands Präsident Putin, Nordkoreas Führer Kim Jong Un sowie die Staatschefs von Kasachstan, Belarus und Aserbaidschan; auch der türkische Außenminister war anwesend. Dass Chinas Präsident Xi Jinping zusammen mit Putin und Kim an der Spitze des Zuges erschien, gefolgt von zentralasiatischen und eurasischen Führern, war ein Symbol dafür, dass sich eine neue Balance gegenüber dem Westen herausbildet.

Das eigentliche Augenmerk der Weltöffentlichkeit richtete sich jedoch auf das Ausmaß der von China zur Schau gestellten militärischen Stärke. Peking präsentierte zum ersten Mal sein vollständiges nukleares Triumvirat: Interkontinentalraketen, seegestützte ballistische Raketen und luftgestützte Systeme mit nuklearer Sprengkopfkapazität. Darüber hinaus wurden Hyperschallraketen, Drohnen in der Größe von Kampfflugzeugen, elektronische Kriegssysteme, intelligente Panzerfahrzeuge, Laserwaffen und sogar unbemannte U-Boote gezeigt. Dieses Bild war nicht nur eine Militärparade; es war zugleich die Verkündung, dass China nun nicht mehr nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch die Fähigkeit besitzt, das globale Machtgefüge zu verändern.

Die politischen und strategischen Implikationen dieser Entwicklungen sind weitreichend. Nachdem China seine wirtschaftliche Stärke lange Zeit als zentrales Instrument genutzt hatte, verbindet es diese nun mit militärischer Kapazität. Das entstandene Bild neuer Allianzen zeigt, dass viele kleinere und mittlere Staaten China und Russland zunehmend als Gegengewicht zu den USA betrachten. Darüber hinaus dienen diese Feierlichkeiten nicht nur der Außenwirkung, sondern auch der innenpolitischen Legitimation der chinesischen Führung. Die Erinnerung an den Sieg über Japan, verbunden mit dem Stolz auf die heutige militärische Stärke, festigt die Führungsrolle Xi Jinpings.

Die Botschaft an den Westen war eindeutig: China ist inzwischen eine abschreckende Macht. Das zur Schau gestellte breite Arsenal zeigte, dass Peking nicht nur seine eigene Sicherheit garantiert, sondern auch zu einem neuen Gestalter des globalen Gleichgewichts geworden ist.

Letztlich ergaben der Shanghaier Gipfel und Chinas prachtvolle Militärparade zusammengenommen eine einzige Botschaft: Die Welt ist nicht mehr unipolar. Das Bild von Xi, Putin und Kim Seite an Seite war nicht nur ein diplomatischer Moment, sondern ein Zeichen für einen neuen politisch-militärischen Block gegen den Westen. Die grundlegende Wahrheit dabei ist, dass China nicht mehr nur der wirtschaftliche Rivale der USA ist, sondern auch deren militärischem Einfluss direkt die Stirn bietet. Dieser Wandel öffnet die Tür zu einem großen strategischen Wettbewerb, der in den kommenden Jahrzehnten bestimmen wird, wie sich die internationale Ordnung gestalten wird.