Chinas Machtdemonstration

Das diesjährige Militärparade war im Kern eine Art „Abschreckungstheater“, das Peking inszenierte, um zu zeigen, dass es über die notwendigen Mittel verfügt, eine Intervention zu bestrafen und einer Eskalation standzuhalten.

Die am 3. September in Peking abgehaltene Militärparade Chinas war keine gewöhnliche Feier zum Gedenken an die Opfer im Krieg gegen Japan und die Achsenmächte. Sie war vielmehr eine sorgfältig inszenierte Machtdemonstration, die sich an Washington, Amerikas Verbündete in Asien und Indien ebenso richtete wie an die Zuschauer im In- und Ausland.

Dass neben dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping auch der russische Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un anwesend waren, machte die Botschaft deutlich: China will als globale militärische Gleichgewichtsmacht anerkannt werden, die Grundlagen einer neuen Weltordnung legen und die westliche Welt zwingen, dem Aufmerksamkeit zu schenken.

Im Zentrum der Parade stand die öffentliche Präsentation von Chinas heranreifender nuklearer Triade. Neue Interkontinentalraketen – die DF-61 und die DF-31BJ – wurden zusammen mit der seegestützten ballistischen Rakete JL-3 sowie der kleineren luftgestützten JL-1 auf der Chang’an-Allee gezeigt. Damit vermittelte China die Botschaft, nun glaubhaft über eine Zweitschlagfähigkeit zu Lande, zu Wasser und aus der Luft zu verfügen. Aus Sicht der Vereinigten Staaten wirft das überraschende Auftauchen der bislang unbekannten DF-61 Fragen darüber auf, was Peking sonst noch zurückhält, und erschwert die strategische Planung. Washington muss nun davon ausgehen, dass Chinas Abschreckungskapazitäten widerstandsfähiger und vielfältiger sind als bisher angenommen.

Auf regionaler Ebene prägten Hyperschallwaffen die Schau. Verschiedene Varianten der Mittelstreckenrakete DF-26, bekannt als „Guam-Killer“, wurden zusammen mit einer ganzen Familie von Schiffsabwehrsystemen gezeigt – von der ramjetbetriebenen YJ-15 bis hin zu den Hyperschallraketen YJ-17, YJ-19, YJ-20 und YJ-21. Ergänzt wurde das Bild durch die DF-17 mit einem manövrierfähigen Hyperschall-Gleitkörper.

Diese Waffen sind darauf ausgelegt, US-Flugzeugträgerkampfgruppen, regionale Basen und alliierte Flotten im gesamten Westpazifik anzugreifen. Für Japans, Südkoreas und Australiens Perspektive bedeutet das, dass die Kosten einer Intervention im Falle einer Krise um Taiwan oder im Südchinesischen Meer gestiegen sind und die Vorwarnzeiten kürzer geworden sind.

Die Volksbefreiungsarmee zeigte auch ihre Ambitionen in neuen Bereichen. Die offizielle Einbindung der Luftfahrt-, Cyber- und Informationsunterstützungskräfte in die Parade verweist auf einen strukturellen Wandel hin zu künftigen Konflikten, die durch Raumfahrt, Cyberraum und KI-gestützte „intelligente Kriegsführung“ geprägt sein werden. Die erstmalige Präsentation des HQ-29, Chinas Antwort auf das amerikanische SM-3-System, zeigt, dass Peking nicht nur auf ballistische Raketen, sondern auch auf Satelliten im niedrigen Erdorbit vorbereitet sein will. Sollten diese Systeme breit stationiert werden, könnte sich das regionale Kräfteverhältnis erheblich verschieben, und die Raketenabwehr sowie weltraumgestützte Kommandonetze der USA könnten geschwächt werden.

Für Taiwan war diese Demonstration eine Erinnerung an den täglichen Druck, unter dem es steht. Präzisionsraketenartillerie, Tarnkappen-Drohnen wie die GJ-11 und unbemannte Über- und Unterwassersysteme deuten eher auf eine Strategie schneller Sättigungsangriffe und der Seezugangsverweigerung hin als auf eine garantierte amphibische Invasion. Keine dieser Fähigkeiten garantiert einen Sieg; zusammengenommen erschweren sie jedoch Taipehs Mobilmachung und verkürzen das Zeitfenster für externe Verstärkungen. Im Südchinesischen Meer senden Hyperschall-Antischiffsraketen und große unbemannte Unterwasserfahrzeuge die Botschaft an die südostasiatischen Staaten, dass China das Schlachtfeld vom Meeresgrund bis in die obere Atmosphäre dominieren kann.

Für das heimische Publikum und die chinesische Diaspora wurde die Parade als Moment des Stolzes und der Einheit inszeniert. Kinder in China mussten die Parade in den Schulen verfolgen. Anders als bei früheren Paraden nahmen dieses Mal keine ausländischen Militärkontingente teil, auch wenn Staatschefs wie Putin und Kim anwesend waren. In seinen Reden betonte Xi trotz der Zurschaustellung modernster Nuklearraketen und Hyperschallwaffen die Geschichte, die nationale Wiedergeburt und die Unausweichlichkeit einer friedlichen Entwicklung. Das Narrativ balancierte zwischen der Beruhigung der Bevölkerung, dem Stolz der Diaspora und der Abschreckung gegenüber den USA und ihren Verbündeten.

Gab es unter den vorgestellten Systemen wirkliche „Game Changer“? Einige stechen hervor. Die seegestützte ballistische Rakete JL-3 stärkt die maritime Abschreckung erheblich. Das HQ-29 zeigt, dass China über eine sich entwickelnde Raketen- und Satellitenabwehrfähigkeit verfügt. Und das neue Tarnkappen-Kampfflugzeug J-35 in Kombination mit dem Frühwarnflugzeug KJ-600 könnte die Wirksamkeit zukünftiger chinesischer Flugzeugträgerverbände deutlich erhöhen. Dennoch bleiben die meisten dieser Systeme evolutionärer Natur. Sie verstärken zwar die Abschreckung und erhöhen die Kosten, verändern das militärische Gleichgewicht jedoch nicht über Nacht.

Im Kern war Pekings Militärparade eine Art „Abschreckungstheater“. Sie war darauf ausgelegt zu zeigen, dass China über die notwendigen Mittel verfügt, eine Intervention zu bestrafen, den Zugang zu verwehren und einer Eskalation standzuhalten. Für Washington, Tokio, Seoul, Taipeh, Manila und Canberra hat sich das Kräfte- und Abschreckungsgleichgewicht zwar nicht verändert; doch die Kosten für dessen Aufrechterhaltung sind gestiegen. Den USA und ihren Verbündeten wurde unmissverständlich signalisiert, dass jeder Konflikt mit China künftig länger, schwieriger und riskanter sein wird als je zuvor.

*Joe Varner ist Senior Fellow am Macdonald-Laurier Institute in Ottawa sowie am North American Centre for Prosperity and Security in Washington, D.C.